Coonskin

Coonskin

Von B.Traber

Ralph Bakshis sicher ambitioniertester und in mancher Hinsicht radikalster Film ist zugleich sein unbekanntester, erreichte etwa den deutschen Zuschauer erst in den 80er Jahren als Videokassette. Entstanden nach den Kultfilmen FRITZ THE CAT (1970/72) und HEAVY TRAFFIC (1973) als letzter von drei abendfüllenden Zeichen- bzw. kombinierten Zeichentrick- und Realfilmen, mit denen der große Bilderstürmer unter den damaligen Animatoren einen entscheidenden Beitrag zum New Hollywood lieferte, wurde COONSKIN (1975) überraschend zum desaströsen Misserfolg. Bei Paramount, wo der Film eigentlich verliehen werden sollte, hatte man ob der krassen Sex- und Gewaltexzesse kalte Füße bekommen, und eine Kampagne, die eher einen aggressiv anti-weißen, gar anti-amerikanischen Agitprop-Film als ein Stück unterhaltsames Anarcho-Kino anzudrohen schien, verschreckte das Publikum. Bakshi wandte sich danach der Science Fantasy zu, vollzog dabei dieselbe Wandlung zum Mainstream der STAR WARS-Ära wie das New Hollywood selbst, schuf aber mit WIZARDS (1976), THE LORD OF THE RINGS (1978) und FIRE AND ICE (1982) einige einflussreiche Genre-Klassiker. Insbesondere sein heute fast vergessener LORD OF THE RINGS hatte wesentliche künstlerische Inspirationen für Peter Jacksons Epos 25 Jahre später geliefert. Mit COOL WORLD gelang Bakshi 1992 ein bemerkenswertes Leinwandcomeback.

coonskin.1975.coverWährend sich FRITZ THE CAT noch als bitter-ironisches Zeichenfilm-Pendant zum Hippie-Biker-Movie und besonders Dennis Hoppers EASY RIDER präsentierte, an dessen Ende jedoch schon die soziale Apokalypse brodelte und die US Air Force Luftangriffe auf Harlem flog, versinkt in COONSKIN (svw. „Negerhaut“), der sich heute als lupenreiner Blaxploitation-Gangsterfilm erweist, der American Dream in einem Inferno aus Korruption, Verfall und Blut: Drei schwarze Underdogs aus dem Süden, die sich eher versehentlichen Ärger mit dem lokalen Sheriff eingehandelt haben, machen sich nach Harlem auf, um unterzutauchen und nebenbei ans große Geld zu kommen. Dem so gewieften wie skrupellosen Bruder Rabbit stehen bei seinem Aufstieg sein gutmütig-einfacher Kumpel Bruder Bär, der aber heftig zulangen kann, und der verrückte Prediger Fuchs zur Seite. Bald schon gelingt dem Hasen die unfreundliche Übernahme einer Schutzgeld-Organisation und während der Bandenkrieg mit der herrschenden Mafiafamilie und den für sie arbeitenden Cops entbrennt, scheint auch die Freundschaft der drei Haudegen an Ehrgeiz und Machtrausch zu zerbrechen.

Verbissen folgt Bakshis COONSKIN einer Spur der Perversion, schwelgt in Ekel und Scheußlichkeit, führt dabei wieder erkennbare Figuren des zeitgenössischen Genrekinos vor, insbesondere natürlich Don Corleone und seine Söhne der GODFATHER-Filme (die vom selben Produzenten Albert S. Ruddy verantwortet wurden), die sich hier in einen fetten, syphilitischen Paten und eine Familie hysterischer Transen mit Dauerlibido verwandelt haben. Konsequent führt COONSKIN die Karikatur des American Dream aus Coppolas monumentalen Fresken in ihre Demontage fort; wie etwa auch in Larry Cohens BLACK CAESAR und HELL UP IN HARLEM entreißt der schwarze Gangster aus der Gosse („I’m a Nigger Man“ intoniert Scatman Crothers unter den Opening Credits) den degenerierten Weißen die Machtstellung. Dabei kommen die drei City-Desperados, deren erste Gewaltaktion es wird, einen betrügerischen Sektenführer zu entmachten, durchaus so naiv daher wie die Protagonisten aus THE WIZARD OF OZ. Aber sie verlieren ihre Unschuld ebenso schnell und endgültig wie das der Rest der von Vietnam und Watergate, von Attentaten, Amokläufen und regionalen Bürgenkriegen erschütterten Nation im Lauf der Jahre getan hat. Hinter der aggressiven Metapher – mehrmals lässt sich das in einer vollbusigen „Miss Liberty“ personifizierte weiße Amerika bereitwillig penetrieren – scheint der soziale Nihilismus einer ganzen Epoche auf. Selten war Blaxploitation so vehementes Revolutionskino und Untergangsvision in einem. Kein Wunder natürlich, dass der Film damals zur Kontroverse wurde. Kein Wunder, dass er heute vor allem historisches Dokument und doch in vielerlei Hinsicht deprimierend aktuell geblieben ist.

Künstlerisch lehnte sich Bakshi weit hinaus, als er sich zu einer bewusst disparaten Kombination von Real- und Zeichenfilm entschloss, weit entfernt von der moralischen und visuellen Sauberkeit ähnlicher Experimente bei Walt Disney. Tatsächlich finden die oft in reale Straßenszenen integrierten animierten Figuren dadurch weniger zu eigener Authentizität, als dass sie die Künstlichkeit des ganzen Gebildes unterstreichen. Gerahmt wird das Aufsteiger-Epos um Rabbit, Bär und Prediger Fuchs von einer in den Südstaaten verorteten Realfilmhandlung: An der Knastmauer sitzen Rabbits Alter Ego, der Hitzkopf Randy (Philip Michael Thomas) und der alte Knacki Pops (Scatman Crothers) und warten die ganze Nacht darauf, dass Randys Kumpels Sampson und Preacherman mit dem Fluchtwagen am vereinbarten Treffpunkt auftauchen. Sie werden es nicht mehr schaffen, vor Ablauf der Nacht einzutreffen. Pops vertreibt sich und Randy die Wartezeit mit dem Erzählen einer langen, metaphorischen Geschichte, und als er zu Ende ist, ist die Sonne aufgegangen und die Wärter haben längst freies Schussfeld. Trotzdem ist Randy noch immer entschlossen, den Ausbruch zu riskieren. Der schwarze Underdog hatte nie eine Chance, aber die will er unbedingt nutzen…

COONSKIN erlebte seine Wiedergeburt in restaurierter und – zumindest hierzulande – wohl erstmals ursprünglich intendierter Schnittfassung. Die von OFDb unter eigenem Label vorgelegte DVD- und Blu-ray-Veröffentlichung bietet ihn daher in ausgesprochen makelloser Qualität, umso authentischer  durch originale Filmfehler und eine vorsichtig gesäuberte 70er-Jahre-Tonspur. Die deutsche Synchronisation wurde nach Angaben des Labels neu erstellt, weil der alten deutschen Version (damals mit Arnold Marquis auf Scatman Crothers und vielen anderen klassischen Stimmen) eine andere, zudem kürzere Schnittfassung zugrunde lag, der deutsche Ton also an das neue Master nicht angelegt werden konnte. Aber auch die neue Fassung ist liebevoll und ordentlich ausgefallen. Alles in allem eine der sorgfältigsten deutschen Editionen eines Bakshi-Films überhaupt. Extras gibt es, bis auf einen Trailer der restaurierten Version, allerdings keine.

Inzwischen etwas adäquater von FSK 18 auf 16 herunter gestuft, bleibt Ralph Bakshis COONSKIN noch immer ein exemplarischer Vertreter einer der spannendsten und tabulosesten Epochen der Filmgeschichte.

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Coonskin, USA 1975, Regie: Ralph Bakshi, Mit: Philip Michael Thomas, Scatman Crothers, Barry White, Charles Gordone, u.a.

Anbieter: OFDb Filmworks