V.F.W.

V.F.W.

Von Michael Kathe

Wir leben in postapokalyptischen Zeiten. Warum also nicht ein Revival des Postapokalypse-Genres? Obwohl Joe Begos noch kein Wissen um den Bodycount der Coronakrise in den USA, um die BlackLivesMatter-Demonstrationen oder um die Aufmärsche rechtsextremer „Coronagegner“ hatte – dieses bürgerkriegsähnliche Chaos in den USA -, bastelte er sich aus den sich stets verschlechternden Verhältnissen der US-Opiatkrise einen postapokalyptischen Kracher zusammen. In schöner Endsiebziger-Manier orientiert sich V.F.W. an ASSAULT ON PRECINCT 13 und ähnlich gelagerten Carpenter-Perlen oder Italo-Rip-Offs.

Die Jetztzeit ist postapokalyptisch: Die harte Opiumdroge „Hype“ hat die Menschen in den Ghettos derart abhängig gemacht, dass ein wahrer Kampf von jedem gegen jeden entbrannt ist. In einem ausrangierten Kino hat Drogendealer Boz (Travis Hammer) seine Stellung bezogen und lässt schon mal aus Spass die völlig abhängige Lucy (Linnea Wilson) für die Droge von der Balkonetage des Kinos ins Parkett springen. Dass sie daran stirbt, bringt die Story ins Rollen, denn ihre kleine Schwester Lizard (Sierra McCormack) klaut daraufhin aus Rache einen ganzen Rucksack der Droge und flüchtet in die Kriegsveteranen-Bar vis-à-vis.

Dort hängen die alten Jungs ab, die bereits den Korea- oder den Vietnamkrieg mitgemacht haben, zu ihren Drinks gern eine VHS-Kassette mit einem erotischen 80s-Aerobictraining anschauen und von alten Zeiten schwärmen. Die illustre alte Truppe besteht nicht nur aus Stephen Lang (AVATAR) oder Martin Kove (KARATE KID), sondern reicht auch filmhistorisch zurück zu David Patrick Kelly (der bereits in THE WARRIORS spielte) und Fred Williamson, der eigentlich hier nicht vorgestellt werden muss, doch dessen besonderen Vorkenntnisse aus italienischen Postapokalypsefilmen noch einmal hervorgehoben werden dürfen. Williamson spielte in Enzo Castellaris DIE RIFFS (1982) und dessen METROPOLIS 2000 / I NUOVI BARBARI (1983). In die Bar gesellt sich schließlich noch ein jüngerer Kriegsveteran, frisch aus Afghanistan und nicht minder abgebrüht wie die alten Jungs.

Am Geburtstag des Barbesitzers Fred (Stephen Lang) wird die Post also abgehen. Dass sich der Rucksack mit Drogen in der Veteranenbar befindet, bleibt Boz natürlich nicht lange verborgen. Er mobilisiert seine Gang an Dealern und Beschützern und bläst zum Angriff auf die Bar. Was folgt, ist nicht die komplexeste Story der Welt, sondern – einfach gesagt – eine Schlachterei; nicht so delirierend wie in Begos’ vorherigem Streifen BLISS, sondern als Handlung. Die Bösen versuchen, einzudringen, die Guten verrammeln die Bar und suchen sich die passenden Waffen zusammen. Zum Glück hat‘s Billardstäbe, Hirschgeweihe, Fäuste, ein paar herumliegende Gewehre, und nicht zuletzt erspart die Axt im Haus das fehlende Kriegsgerät. Und weil Regisseur Begos nicht vor Gewalt zurückschreckt, lässt er mit Freuden ein paar blutige Grausamkeiten auf Film bannen, immer schön in blaue und rote Beleuchtung getaucht. Köpfe werden plattgetreten, Äxte in Rümpfe gerammt, mit eines anderen Kopf eine Tür eingeschlagen, und noch einige andere unsensible Behandlungen fremder Körper machen den Film zum Spektakel.

Labte sich Begos in BLISS noch an blutüberströmten Körpern und Gesichtern, so hat er es in V.F.W. vor allem darauf abgesehen, Köpfe zu zermatschen, Köpfe von Hörnern an der Wand zu durchbohren, Köpfe am Boden platt zu treten. Begos sucht seine materialistische Transzendenz in der Zerstörung des Denk- und Fühlapparates – auf ganz andere Art konzentrierte er sich bereits in THE MIND’S EYE (2015) auf das Gehirn. Ursprung der Probleme oder Begierden sind dabei in Begos’ Filmen immer Dinge, die das Gehirn irgendwie triggern: Die Psychokinese in MIND’S EYE, oder die Drogen „Bliss“ in BLISS und „Hype“ in V.F.W..

V.F.W. ist ein netter Slasherfilm, der allerdings ein bisschen bescheiden herausgekommen ist, im Vergleich zu den Vorbildern, den Apokalypsefilmen der späten Siebziger und frühen Achtziger. Auch wenn man sich manchmal auf sympathische Weise an schlechte Filme wie SURF NAZIS MUST DIE oder bessere wie Alex Cox’ REPO MAN erinnert, so hätte man sich im mindesten doch eine Portion mehr Geist und/oder etwas debilere Charaktere mit idiotischeren One-Linern gewünscht.

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V.F.W., USA 2019 | Regie: Joe Begos | Drehbuch: Max Brallier, Matthew McArdle | Musik: Steve Moore | Kamera: Mike Testin | Darsteller: Stephen Lang, William Sadler, Martin Kove, Fred Williamson, Sierra McCormick, Tom Williamson, Travis Hammer, Dora Madison, u.a. | Laufzeit: 92 min.