Brennender Tod

Brennender Tod

Von Guy Montag

Da staunt der Wetterfrosch und der Meteorologe wundert sich: in ganz England blühen winterliche Eisblumen an den Fenstern, nur auf der Orkneyinsel Fara herrscht seit Wochen unerklärliches Tropenklima – die Bevölkerung ächzt unter der Sonne. Auch in der Dorfschenke „Zum Schwan“ kocht dem Wirt Jeff Callum (Patrick Allen) das Guinness, denn hätte er nicht mit seiner Frau Frankie (Sarah Lawson) schon genug Palaver, so steht plötzlich auch noch seine alte Flamme Angela (Jane Merrow) in der Tür. Währenddessen trifft mit dem sinisteren Godfrey Hanson (Christopher Lee) auch noch ein höchst eigentümlicher Wissenschaftler auf dem Eiland ein, der der sengenden Hitze – die mittlerweile nicht nur Sach- sondern auch Personenschäden bedingt – auf den Grund gehen will. Zusammen mit dem ortsansässigen Physiker und Dauerthekensitzer Dr. Stone (Peter Cushing) stellt er schnell eine Bedrohung fest, die nicht von dieser Welt ist – außerirdische Invasoren planen einen plasmatischen Angriff auf das Festland und die heißen Tage des Terrors haben gerade erst begonnen.

Neben den Hammer Films als Speerspitze und Konkurrenten wie Amicus oder Tigon als modernistischen Nachzüglern, gab es in den „Swinging Sixties“ auch noch eine ganze Reihe mehr oder weniger talentierter Produzenten, die sich zumindest für ein paar Filme aufs Trittbrett des schaukelnden Horrorfilmbusses stellen wollten. Produzent Tom Blakeley, der mit seiner Planet Film Productions gerade den mindestens ebenso skurrilen INSEL DES SCHRECKENS (1966) in die Filmtheater bugsiert hatte, blieb dem Genre treu und versicherte sich erneut der Dienste des erprobten Hammer-Trios aus Regisseur Terence Fisher und den ikonischen Schauspielheroen Christopher Lee und Peter Cushing. Gleiches galt für Kameramann Reginald ‚Reg‘ Wyer, der sich letztmalig hinter die Linse klemmte, um sein Finale als Bildgestalter einzuleuchten. Auch Komponist Malcolm Lockyer, ein wandlungsfähiger Tonsetzer und Dirigent, ist mit seinen Soundtracks für die Agatha-Christie-Verfilmung GEHEIMNIS IM BLAUEN SCHLOSS (1965), den feministisch-herzerwärmenden HEISSE KATZEN (1966), den in Deutschland als Edgar-Wallace-Film vermarkteten Abenteuerstreifen DIE PAGODE ZUM FÜNFTEN SCHRECKEN (1967) oder die hübsch-einfältige Fernost-Krimiplotte DIE RACHE DES DR. FU MANCHU (1967) bei Genrefreunden bekannt geworden.

Böse Zungen behaupten ja, dass die Storylines für INSEL DES SCHRECKENS und BRENNENDER TOD keine Preise für Einfallsreichtum einheimsen würden – zugegebenermaßen ähneln sich die Grundplots beider Filme schon sehr stark. BRENNENDER TOD basierte ursprünglich auf einem schmalen Romanbüchlein, was eigentlich von der Firma ITV für das britische Fernsehen aufbereitet werden sollte, dann aber nicht über die Planungsphase heraus kaum. Blakeley schnappte sich den Stoff, ließ ihn durch das seit ihrer Arbeit für die Langzeitserie DR. WHO (1963-1989) bekannte Autorenpaar Pip und Jane Baker überarbeiten und in den wohlbekannten Pinewood Studios in Windeseile diesen Sci-Fi-Horrorreißer herunterdrehen, in dem nicht nur die Schauspieler, sondern auch die zugrundeliegende Geschichte gargekocht zu werden scheinen. Denn so ganz schlüssig ist BRENNENDER TOD auf dem Papier nicht, auch die Inszenierung – die im Gegensatz zum Vorgänger jedoch mehr den geliebten „Fisher-Spirit“ atmet – hat leider mit dem ein oder anderen Continuity-Problem zu kämpfen. Doch sei’s drum; BRENNENDER TOD ist schließlich „Kintopp“, kein dokumentarisches Investigativmagazin.

Die Schauspieler entschädigen denn auch doppelt und dreifach für manch hanebüchene Idee, zuvorderst Christopher Lee und Peter Cushing gehören zu den Akteuren, die auch dem himmelschreiendsten Unfugfilm ohne Probleme noch Stil, Eleganz und Grandezza anzugedeihen wissen; BRENNENDER TOD macht da zum Glück keine Ausnahme. Auch der kantige Patrick Allen und die frisch aufgeföhnte Sarah Lawson können ihren Rollen durchaus Profil verleihen und bezeugen, dass es keine Frage des Budgets sein muss, ob man vor der Kamera vollen Einsatz liefert – beide waren übrigens auch im richtigen Leben miteinander verheiratet. Jane Merrow bringt die notwendige Portion Erotik mit auf die Insel, da schmilzt jeder Eiswürfel freiwillig im Nullkommanichts.

Nachdem die vor Jahren erschienene DVD vom Markt verschwunden ist und überdies von den technischen Möglichkeiten überholt wurde, erschien BRENNENDER TOD vor einiger Zeit als ansprechendes Hochglanz-Mediabook im Slim-Format, wobei sich hinter zwei verschiedenen Covervarianten ein Doppel-Disc-Set mit Blu-ray und DVD befindet. Gerade in hochauflösendem HD macht der Breitwandfilm enorme Freude und steht Blitzsauber da. Neben dem englischen Originalton präsentiert die Veröffentlichung auch die deutsche Synchronbearbeitung, die – da es der Film bei uns leider nie ins Kino schaffte – erst 1985 für einen Videorelease entstand. Dennoch kann sich die in Münchener Tonstudios entstandene Fassung mit Herbert Weicker, Rüdiger Bahr, Horst Raspe, Manuela Renard und Viktoria Brams mehr als hören lassen.

Als Extras gibt es neben einem Audiokommentar des geübten Gespanns aus Dr. Rolf Giesen und Uwe Sommerlad – die bereits mehrere Handvoll britische Horrorfilme dieser goldenen Ära fachgerecht analysiert haben und auch hier wieder im Plauderton viele Infos bereithalten – eine Tonspur, auf der unter der Moderation von Genrekenner Marcus Hearn die Drehbuchautoren Pip und Jane Baker sowie niemand geringerer als Sir Christopher Lee von den Dreharbeiten und ihren Karrieren berichten. Ein separates Interview mit dem Darsteller, der so vielmehr vermochte als sich nur falsche Eckzähne ins Gebiss zu klemmen, findet sich in der Featurette “British Legends of Stage and Screen”. Der englische Trailer und eine umfangreiche Bildergalerie sind obligatorisch, ein zwanzigseitiges Booklet rundet die Dreingaben ab, wobei der Text von Christoph Huber eine sehr unterhaltsame Lektüre darstellt. Nicht zu Unrecht nahm der Filmdienst – der für den Streifen per se nur ein müdes „Wirrer Science-Fiction-Film“ übrighatte – die Edition in seine „Silberlinge 2019“ der empfehlenswerten Veröffentlichungen auf.

Wer die Gallionsfiguren des Hammer-Horrors mal bei einem sommerlichen Betriebsausflug erleben, sich an einem nicht ganz ausgegorenen, dennoch unterhaltsamen Thriller laben, gerne auch mal unfreiwillig schmunzeln möchte, für den ist BRENNENDER TOD ein richtig guter Griff und eine lohnenswerte Anschaffung. Denn wenn am Ende die klassische „Deus Ex Machina“ herbeielt, um dem Inselsommer Einhalt zu gebieten, dürften auch heutige, von der globalen Erwärmung geplagte Agrarökonomen Luftsprünge machen. Ich wünsche frohes Tanzen.

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Night Of The Big Heat/Island Of The Burning Doomed | GB 1967 | Regie: Terence Fisher | Darsteller: Christopher Lee, Patrick Allen, Peter Cushing, Jane Merrow, Sarah Lawson, William Lucas u.a.

Anbieter: Koch Media