The friendly beast

The friendly beast

Von Oliver Schäfer

Während ein vermeintlich letzter Gast sein Essen genießt, warten Chef Inacio (Murilo Benicio) und seine Belegschaft auf den kurz bevorstehenden Feierabend. Da betritt ein arrogantes und bereits angetrunkenes junges Paar – Bruno (Jiddu Pinheiro) und Veronica (Camila Morgado) – das Restaurant La Barca, verlangt den besten Wein und ein üppiges Mahl, macht nebenher das Personal runter und benimmt sich auch ansonsten ziemlich daneben. Aber Inacio kann jede Einnahme gut gebrauchen, also macht er gute Miene zum bösen Spiel. Das Küchenpersonal, aus verschiedenen Gründen sowieso schon ziemlich unzufrieden, geht zwar widerwillig ans Werk, allerdings eskaliert der schon lange schwelende Streit zwischen Inacio und seinem schwulen Chefkoch Djair (Irandhir Santos) mit dem Ergebnis, dass Djair das Handtuch wirft. Der Zeitpunkt könnte kaum ungünstiger sein, erwartet Inacio doch in den nächsten Tagen den Besuch eines berühmten Restaurantkritikers, dessen Empfehlung sein Lokal endlich in die Gewinnzone bringen soll.

Als ob das nicht schon genug für einen schlechten Tag wäre, betreten wenig später zwei Räuber den Laden, um die Tageseinnahmen und die Wertgegenstände der wenigen Gäste zu ergaunern – offenbar eine durchaus übliche Praxis in Brasilien. Die Gauner geben sich nicht mit der materiellen Beute zufrieden, sondern trachten auch noch nach etwas sexueller Entspannung. Während Anführer Magno (Humberto Carrao) Veronica belästigt, versucht sein Kumpel (Ariclenes Barroso) dasselbe mit Kellnerin Sara (Luciana Paes). Inacio ist bereits einmal überfallen worden und hat sich daraufhin eine Waffe zugelegt und ein Schießtraining absolviert. Als die beiden Gauner abgelenkt sind, greift er sich seine Waffe. Der erste Schuss markiert den Beginn einer Nacht, in der noch viel Blut fließen wird und in der sich ein vermeintlicher Retter als die eigentliche Bestie erweisen wird.

Der heißblütige brasilianische Psychothriller nimmt diese Ausgangssituation und seine Reduzierung auf einen begrenzten Schauplatz als Basis für eine psychologische Tour in menschliche Abgründe. Wie bei den meisten in Restaurants spielenden Horrorfilmen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis menschliches Fleisch auf der Speisekarte steht. Neben den offensichtlichen, zwischenmenschlichen Konflikten – so hat Inacio neben seinem bockigen Personal und einer ihn anhimmelnden Kellnerin auch noch seine zeternde Ehefrau am Telefon – streift der Film eine ganze Palette von sozialen Problemen. Abhängigkeit, Unterdrückung, Geschlechterrollen, Klassenunterschiede und spezifisch brasilianische Missstände werden durchaus elegant in die Thrillerhandlung integriert, während genüsslich nach und nach die Bestie im Menschen freigelegt wird. Und dass hier niemand geistig gesund aus der Geschichte herauskommen wird, zeigt sich schon an der häufigen Nutzung von Spiegeln und Reflexionen der Hauptakteure – immer wieder ein gutes filmisches Zeichen für Wahnsinn, aber auch für die eingeübten Masken, mit denen man sein wahres Ich verstecken kann.

Trotz offensichtlich geringem Budget gelingt es der Regisseurin in ihrem ersten Langfilm, den beengten Schauplatz ideal zu nutzen, unterstützt von guter Kameraführung, ökonomischem Schnitt und einem unaufdringlichen aber effektivem Score. Die Darsteller überziehen hier und da ein wenig, agieren aber insgesamt überzeugend. Alles in allem ein sehenswertes, mitunter absurd amüsantes Erstlingswerk, dessen sozialkritischer Unterton dem blutigen Spektakel eine ungewöhnliche Komponente beimischt.

Bildstörung hat den Film auf Blu-ray und DVD herausgebracht, sowie in einer auf 300 Exemplare limitierten Sammleredition, die beide Versionen und zusätzlich die Soundtrack-CD mit neun Tracks beinhaltet – erhältlich nur über den Bildstörung-Onlineshop. Wie üblich gibt es auch hier üppiges Zusatzmaterial: Audiokommentar mit Regisseurin Gabriela Amaral Almeida, Kurzfilme: „Die Hand, die streichelte“ (2012, 19 Min.), „Keine Bewegung!“ (2014, 25 Min.), Trailer, sowie ein Booklet mit Texten von Shelagh Rowan-Legg und Kat Ellinger.

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O animal cordial | Brasilien 2017 | Regie: Gabriela Amaral Almeida | Darsteller: Murilo Benicio, Luciana Paes, Irandhir Santos, Camila Morgado, Jiddu Pinheiro u.a.

Anbieter: Bildstörung