Mothra bedroht die Welt

Mothra bedroht die Welt

Von Guy Montag

Regisseur Ishirō Honda hatte mit seinen Meisterwerken DAS GRAUEN SCHLEICHT DURCH TOKIO (1958) und KRIEG IM WELTRAUM (1959) bewiesen, dass er nicht nur das große, irdische Drama, sondern auch den außerirdischen Suspense einer Sternenkriegsgeschichte wirkungsvoll und in maßstabsetzender Qualität in Form zu bringen vermochte. Doch da auch in Kaiju-Gefilden der guten aller Dinge drei sind, brauchte es MOTHRA BEDROHT DIE WELT, um noch einen vielschichtigen und handwerklich außergewöhnlichen Monsterfilm zu erschaffen, der bis heute nichts von seiner Faszination verloren hat.

Als im Südpazifik radioaktiv verstrahlte Überlebende eines Schiffsunglückes wie durch ein Wunder überleben, macht sich ein japanisches Forscherteam auf den Weg zu einer angeblich verlassenen Insel, die anscheinend gegen atomare Strahlen immun macht. Die Expedition begleitet der gierige Kunsthändler Clark Nelson (Jerry Itō), der zwei kleine Zwillingsfeen (Yumi & Emi Itō) von dieser Insel entführt, um mit ihnen in Japan eine Sensationsshow zu veranstalten. Doch das Lied der kleinen Feen ist in Wahrheit ein Hilferuf und bringt die Riesenraupe Mothra dazu, sich nach Japan aufzumachen. Dort beginnt sie mit der Zerstörung von Tokio, verpuppt sich in einen riesigen Kokon und schlüpft als riesiger Falter, gegen den die Menschen und die Technik der Armeen keine Chance zu haben scheinen. Nur der Wissenschaftler Dr. Chūjō (Hiroshi Koizumi) und sein Reporterfreund Fukuda (Frankie Sakai) glauben an eine Lösung des Problems – doch die Zeit drängt, bevor Mothra die ganze Welt in Schutt und Asche legen kann.

Was dem Drama sein Honda, ist der Action ihr Tsuburaya – die Zusammenarbeit von Regisseur und Spezialeffektespezialist kann man retrospektiv gar nicht oft genug als kongenial einstufen, so sehr beeindrucken die jeweiligen Sequenzen auch heute noch. Grundlage des Erfolges von MOTHRA BEDROHT DIE WELT war die Geschichte von Shinichi Sekizawa, der in seinem Skript nicht nur einen Protest des ohnehin traumatisierten Japans gegen die amerikanischen Atomtests im Südpazifik einflocht, sondern auch die Begeisterung seiner Landsleute für märchenhafte Geschichten im Blick behielt. Aufgehübscht mit dem humoristischem Beiwerk eines Frankie Sakai und dem herzerwärmenden Auftritt des damals auch in Deutschland populären Schwestern-Gesangsduos „The Peanuts“, wurde daraus ein Konglomerat an filmischem Fantasy, dass sich nicht nur jeder Genrebeschränkung verweigerte, sondern für einige Jahre geradezu Weltmarktführer auf diesem Gebiet war. Speziell die oftmals reichlich simplen US-Produktionen konnten da nicht mithalten, hingegen machten Hondas DAS GRAUEN SCHLEICHT DURCH TOKIO (1958) und KRIEG IM WELTRAUM (1959) als US-Export beste Kassen.

Wohl auch deshalb kaufte sich die amerikanische Columbia für die Produktion von MOTHRA BEDROHT DIE WELT bei Toho ein und verschaffte somit monetäre Möglichkeiten, die Studiochef Tanaka für beeindruckende Trickaufnahmen und eine interessante Verquickung von japanischen Ideen und amerikanischen Einflüssen zu nutzen wusste. Honda zeigte sich auf der Höhe seines Könnens und übersetzte die fantastische Abenteuergeschichte in prägnante Bilder und elegante Inszenierungsabläufe, die noch dazu in den Massenszenen zur exorbitanten Materialschlacht gerieten. Dass Toho mit der überdimensionalen Motte Mothra eines der populärsten und dank der tricktechnischen Umsetzung auch filigransten Filmmonster der Studiogeschichte erschuf, das nicht nur in sieben weiteren Honda-Streifen und einer eigenen Filmtrilogie, sondern auch in Jun Fukudas launigem Frankenstein und die Ungeheuer aus dem Meer (1966) wieder auftauchte, erwies sich als Glücksfall für den Film. Komponist Yūji Koseki, der ansonsten eher für popmusikalische Hitparadenerfolge im Singleschallplattenformat verantwortlich zeichnete, lieferte für MOTHRA BEDROHT DIE WELT eine seiner raren Filmmusiken, die sich neben dem schier übermächtigen, aber auch sehr wuchtigen Sound Akira Ifukubes angenehm leicht und trotzdem gehaltvoll ausnahm.

Anolis legt mit dieser auf 1500 Exemplare limitierten Veröffentlichung einen weiteren Teil seiner beispielhaften Kaiju-Collection vor. Veröffentlicht als BD-/DVD-Kombo-Release im wertig-massiven Metalpack erstrahlt der in breitwandigem TohoScope und Technicolor gedrehte Film in neuem Glanz, zeigt sein ganzes Spektrum an Effekten und farblichen Finessen auf großen Diagonalen und Heimkinowänden dieses Landes. Beide Medien fassen neben der ungekürzten, mit hervorragender Bildqualität gesegneten japanischen Kinofassung (sowohl mit Originalton als auch der deutschen Synchronisation) die leicht gekürzt von Columbia Pictures in den Verleih gebrachte amerikanische Fassung, die inhaltsgleich mit der deutschen Auswertung ist und neben der Synchronisation – in anlässlich einer Fernsehpremiere 1994 mit Fachkräften wie Michael Pan und Detlef Bierstedt realisiert wurde – den englischen Dub enthält.

Zwei Audiokommentare sind zur japanischen Fassung anwählbar: einmal das Gespann um die Herren Jörg Buttgereit, Bodo Traber und Ingo Strecker, separat doziert Florian Bahr zum Thema. Steve Ryfle und Ed Godziszewski referieren eigens über die US-Fassung des Streifens, wobei die insgesamt drei Kommentare in Ihrer Fülle an Informationen zu Kaijus und den allgemeinen Kinophänomenen damaliger Zeit kaum zu toppen sind. Neben dem deutschen und japanischen Kinotrailer sind eine alte Super-8-Fassung und eine ausufernde Bildergalerie enthalten. Abrundendes Schmankerl ist ein kenntnisreiches und bunt bebildertes, zwanzigseitiges Booklet, welches Audiokommentierer Strecker verfasste, viele Fakten und Hintergründe zu Darstellern und Filmmotiven in ausführliche Zeilen kleidet und damit das opulente Paket beschließt, das kaum Wünsche offenlassen und von den Fans sicher honoriert werden dürfte!

Auf Kaijus im Allgemeinen muss man sich als Zuschauer einlassen können, auf MOTHRA BEDROHT DIE WELT sollte man dies im Besonderen tun. Wer das schafft, wird mit nicht weniger als einem abwechslungsreichen, farbenfrohem, actionreichen und hochunterhaltsamen Film belohnt, dessen Sichtung auch heute noch zum Staunen, Genießen, Entdecken und Träumen einlädt. Für Mothra muss man in seinem Herzen einfach Platz haben – hier wird man, ganz ohne Atomtest, vom märchenhaften Charme der Kaijus schier „verstrahlt“.

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Mosura | Japan 1961 | Regie: Ishirō Honda | Darsteller: Hiroshi Koizumi, Frankie Sakai, Ken Uehara, Kyoko Kagawa, Takashi Shimura, Die Peanuts (Yumi & Emi Itō) u.a.

Anbieter: Anolis Entertainment