Brawl in Cell Block 99

Brawl in Cell Block 99

Von Oliver Schäfer

„Südlich von OK, nördlich von Krebs“ – So beantwortet Bradley Thomas (Vince Vaughn – THE CELL) Fragen nach seinem Befinden. Er mag es auch nicht, wenn ihn jemand mit Brad statt Bradley anspricht.

BrawlInCellBlock99_PosterBradley, ein ehemaliger Boxer, der sein Geld als Fahrer eines Abschleppwagens verdient, wird gleich zu Beginn des Films gefeuert. Und der Tag geht beschissen weiter, als er seine Frau Lauren (Jennifer Carpenter – DER EXORZISMUS DER EMILY ROSE) beim Fremdgehen erwischt. Nachdem Bradley seine Wut an Laurens Auto ausgelassen hat, sprechen sich beide aus und beschließen einen Neuanfang.
18 Monate später liefert Bradley Drogen für seinen Kumpel Gil (Marc Blucas – RED STATE) aus, die finanziellen Probleme sind gelöst und Lauren ist schwanger. Dann endet jedoch ein umfangreicher Drogendeal mit Gils mexikanischem Partner Eleazar (Dion Mucciacito) in einer wilden Schießerei mit den Cops und Bradley erhält eine siebenjährige Haftstrafe, abzusitzen im Gefängnis „Fridge“, einem in Weiß und Grau gehaltenen, sehr stillen und somit allen gängigen Klischees widersprechendem Mustergefängnis. Dort erhält er Besuch von einem namenlosen Kurier (Udo Kier – BLADE) der im Eleazars Auftrag Lauren und dem ungeborenen Kind schlimme Dinge androht, wenn Bradley nicht einwilligt, einen Widersacher Eleazars umzubringen. Der Haken an der Sache: Dieser Widersacher befindet sich im Zellenblock 99 des Hochsicherheitsgefängnisses Red Leaf. Notgedrungen stimmt Bradley zu und zerlegt sofort höchst effektiv und auf äußerst brutale Art und Weise einige Wärter, um so seine Verlegung ins Red Leaf Gefängnis zu erreichen.

BrawlInCellBlock99_5Dort angekommen, wird er vom Leiter der Einrichtung, Warden Tuggs (Don Johnson – DJANGO UNCHAINED) in Empfang genommen und gleich nachdrücklich mit den örtlichen, meist schmerzhaften Gepflogenheiten vertraut gemacht. Kaum angekommen, bricht Bradley beim ersten Hofgang plötzlich lautstark Knochen, tritt Schädel ein, zieht Gesichtshaut vom Knochen und wandert dafür wie geplant in den Zellenblock 99. Dieser Block entpuppt sich als ein mittelalterliches unterirdisches Verlies, von Warden Tuggs als „Gefängnis im Gefängnis“ bezeichnet, dessen Existenz die Gefängnisaufsicht sicher nicht erfreuen würde. Bradley hat sein erstes Ziel erreicht, doch der Film hält noch ein paar Überraschungen für ihn bereit.

Wie schon in seinem Erstling, dem Horrorwestern BONE TOMAHAWK, lässt sich Regisseur/Autor/Komponist S. Craig Zahler auch in seinem zweiten Werk Zeit mit der Entwicklung seiner Geschichte und der Vorstellung der Charaktere. So dauert es fast eine Stunde, bis Bradley überhaupt ins Gefängnis kommt und das eigentliche Drama beginnt. Aber keine Sorge, diese Stunde ist durchaus spannend, ermöglicht tiefere Einblicke in Bradleys Charakter und legt den Grundstein für die folgenden Ereignisse. Und so entfaltet sich die böse Geschichte in einer langsam anziehenden Spannungskurve, die sich in explosiven, sehr blutigen Prügeleien entlädt.

BrawlInCellBlock99_4Vince Vaughn hat zwar in der Vergangenheit sporadisch ernste Rollen übernommen (THE CELL, THE LOST WORLD, PSYCHO), trotzdem habe ich ihn bisher meist mit eher plumpen Komödien verbunden. Seit seinem Auftritt in der umstrittenen zweiten Staffel der HBO-Serie TRUE DETECTIVE scheint er sich jedoch vermehrt um ernste Rollen zu bemühen. So durften wir seitdem seine harte Seite in Mel Gibsons HACKSAW RIDGE, dem Thriller TERM LIFE und nun in BRAWL IN CELL BLOCK 99 bewundern.

Vaughn, dessen einschüchternde Größe durch den kahlgeschorenen Schädel und das riesige tätowierte Kreuz auf seinem Hinterkopf noch präsenter ist, spielt den zwar stillen aber sehr wortgewandten Bradley Thomas mit bedrohlicher aber stets kontrollierter Intensität. Das zeigt sich gleich zu Anfang des Films, als er seine Wut über Laurens Betrug nicht an ihr auslässt, sondern stattdessen ihren Wagen mit bloßen Fäusten verprügelt.

BrawlInCellBlock99_3Die späteren Schlägereien sind ebenso hart und kraftvoll, allerdings ist Blech eindeutig widerstandsfähiger als Fleisch und Knochen und Bradley ist ohne große Anstrengung in der Lage, jemandem das Gehirn aus dem Schädel zu treten. Die erstklassig choreographierten Kämpfe haben nicht die heute oft zelebrierte tänzerische Eleganz, sondern beeindrucken durch die schiere Kraft und Gewalt Bradleys, sowie seinen methodischen Kampfstil. Regisseur Zahler und Kameramann Benji Bakshi haben sich zum Glück dafür entschieden, die Kämpfe in langen Ganzkörperaufnahmen mit einem Minimum an Schnitten zu drehen, so dass wir immer die Körper und Gesichter der Akteure sehen können. Nicht von ungefähr erinnert sowohl Vaughns Statur, als auch sein Kampfstil an Vincent D’Onofrios Wilson Fisk aus der Marvel Serie DAREDEVIL, denn auch dort war Stuntkoordinator Drew Leary für die Kampfchoreographie zuständig.

BrawlInCellBlock99_1Insgesamt hat Zahler hier erneut eine blutige Genreperle abgeliefert, die jedem Freund des Exploitationkinos der 70er gefallen dürfte, auch wenn manchem die Laufzeit von 132 Minuten exzessiv erscheinen mag. Für mich ist das jedoch alles sehr stimmig, klasse gefilmt und gespickt mit sparsamen aber pointierten Dialogen. Ich freue mich schon jetzt auf Zahlers nächsten Film DRAGGED ACROSS CONCRETE, bei dem er sich knapp 160 Minuten Zeit lässt, um Vince Vaughn durch eine weitere brutale Geschichte zu jagen, diesmal an der Seite von Mel Gibson.

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Brawl In Cell Block 99 | USA 2017 | Regie: S. Craig Zahler | Darsteller: Vince Vaughn, Jennifer Carpenter, Don Johnson, Udo Kier, Marc Blucas, Dion Mucciacito, Geno Segers, Tom Guiry, Mustafa Shakir u.a.

Anbieter: Universum Film