52 Pick-up

52 Pick-up

Von Christopher Klaese

„Du bist ein kaputter Kerl“ raunt irgendwann Stripperin Doreen (Vanity) dem erfolgreichen Industriellen Harry Mitchell (Roy Scheider) zu. Aber da gibt es für ihn und seine politisch engagierte Frau Barbara (Ann-Margret) schon keinen Weg mehr zurück. Harry ist durch eine Affäre mit Cini (Kelly Preston) angreifbar geworden und wird von einem schleimigen Gangstertrio erpresst. Doch bei Harry, einem alten Koreakriegsveteranen, setzt dieser Druck ungeahnte Kräfte frei – seine Ehe will er retten, seine Firma, sein Geld, sein Leben schützen. Als Cini plötzlich tot aufgefunden wird und alle Beweise auf ihn fingiert werden, dreht Harry den Spieß um – und versucht seinen Kontrahenten Alan (John Glover) mit Kniffen zu schlagen, die allen Beteiligten dieses tödlichen Spiels ein furioses Finale garantieren werden.

52pickup_PosterSchon der Establishing Shot entfaltet für den Zuschauer eine unausweichliche Sogwirkung. Wenn die Kamera über die luxuriösen Stadtvillen Los Angeles‘ blickt, sich hinabsenkt, ein Haus, einen Swimming-Pool, einen Menschen – Harry Mitchell – herausgreift, separiert, geradezu anvisiert, dann verdeutlicht 52 PICK-UP in der bildlichen Umsetzung, dass sich in die biedere Vorstadtidylle hinein eine katastrophale Spur von Ereignissen hineinfrisst, welche die Personen immer weiter außerhalb dieser Gesellschaft stellen wird. Ist die Handlung im Grunde simpel und mehr als einmal schon erzählt, so haben wir es – dank Elmore Leonards schriftstellerischem Talent und dem beeindruckenden Kennerblick für Szenen und Charaktere, dass in dieser zweiten Verfilmung der Romanvorlage auch endlich eine stimmige Umsetzung erfuhr – mit einer Figurenzeichnung zu tun, die genau gefertigt, exzellent bebildert, hervorragend gespielt und passgenau inszeniert ist.

52pickup_4Regisseur John Frankenheimer, der sich spontan in Leonards Roman verliebt hatte, arrangiert die Statussymbole (wie etwa den filigranen Jaguar E-Type mit seltenem Hardtop oder die glitzernden Insignien des amerikanischen Wahlkampfes) in ebenso latenter und doch stimmiger Art, wie es die wirklich guten Genrefilme aller Dekaden vermögen. Dass er den Leonard’schen Kosmos – in dem es neben Sex, Drogen und Erpressung auch stets um braune Packpapiertüten voller Dollarscheine und lebende und nicht mehr ganz so lebendige Menschen in Kofferräumen geht – so gradlinig, zupackend und mit durchaus provokanter Dreckigkeit umsetzt, ist ungewöhnlich für einen Mainstreamfilm. Die Kritiker moserten darüber, die Fans schätzten genau diese Werktreue an der Umsetzung des Romans.

Roy Scheider – der Mann, der mit mörderischen Haien umzugehen und hochbrisante High-Tech-Hubschrauber zu steuern vermochte – stellt sein kantiges Antlitz zur Verfügung, auf dem Jost Vanaco kameratechnische Licht- und Schattenspiele in bester Noir-Manier abbilden kann. Die kühle Brillanz und Reife, gepaart mit kraftvoller Eloquenz, mit der Ann-Margret ihren Part versieht, schafft das darstellerische Kunststück, neben Scheider wirksame Akzente zu setzen und gelungene Ergänzung zu sein. John Glovers Minenspiel lässt einen faszinierenden Gangster zwischen burlesker Exaltiertheit und finsterer Sadisterei lebendig werden, während das nachmals mit üblem Schicksal geschlagene Model Vanity mit leicht vulgärer Zeigefreudigkeit Talente offenlegt, die über das Singen weit hinauszugehen vermögen. Dass Frankenheimer seinen Schauspielern bewusst viele Freiräume gab, die sie effektiv zu nutzen wussten und ihm diese Selbstständigkeit mit großer Spielfreude dankten, darf als Weitsicht eines Mannes gewertet werden, der sich in Hollywood nach jedem noch so großen Tiefschlag immer wieder aus dem Tal auf neue, inszenatorische Gipfel arbeitete.

52pickup_1Jost Vacano zeigte gleich in seiner ersten Hollywoodproduktion, dass sich der Weg über den Atlantik auszahlen sollte; mit feiner Hand ließ er die Kamera durch das Geschehen sausen und zog die Kinobesucher mit hinein ins unstete und lebensbedrohliche Flair der Geschichte. Die elektronische Musik von Gary Chang unterlegt die optische Brillanz mit akustischer Kälte, setzt dem sonnendurchfluteten Kalifornien eine nachtdunkle Hintergründigkeit hinzu, wodurch die Atmosphäre um weitere, interessante Aspekte bereichert wird.

52pickup_2Als auf 2000 Exemplare limitierte Nr. 5 ihrer „Collector’s Edition“ im schmucken Digipack veröffentlicht, definiert OFDb Filmworks einmal mehr Maßstäbe im Premium-Segment und präsentiert 52 PICK-UP als deutsche HD-Premiere in selbstverständlich ungeschnittener Fassung. Der feine Stereoton überzeugt ebenso wie der kantenscharfe Transfer, durch den die filigrane Bildgestaltung hervorragend zur Geltung kommen kann. In der als Blu-ray/DVD-Kombo-Release erhältlichen Hauptabteilung finden sich hochspannende Extras, wobei Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger in einem Audiokommentar geballtes Wissen auf den Zuhörer niedergehen lässt. Als separate Audiospur kann die isolierte Filmmusik, gekoppelt mit einem Interview mit Komponist Gary Chang angewählt werden. Weiter enthalten ist die kleine Featurette „Trailers from Hell“ mit Josh Olsen, der eine Lanze für diesen Cannon-Film bricht, der deutsche und amerikanische Kinotrailer, ein englischer TV-Spot sowie eine umfangreiche Fotogalerie. Auf der zusätzlich enthaltenen Bonus-DVD sind außerdem noch zwei erhellende Dokumentationen ausgelagert, wobei die fast einstündige Dokumentation „The Directors: John Frankenheimer” einen komprimierten Karriereüberblick über die abwechslungsreiche Filmographie liefert, während “The Making Of „52-Pick-Up“ einen zeitgenössischen Bericht zur Entstehung des Filmes darstellt und O-Töne von Stab und Besetzung enthält. Natürlich stehen für diese Boni deutsche Untertitel zur Verfügung. Abrundend kredenzt die Edition ein sechzehnseitiges Booklet mit Liner Notes von Thorsten Hanisch, der sich neben der produzierenden Firma und dem legendären Vorlagenautor auch der Vita des Regisseurs und den filmischen Hintergründen widmet.

52pickup_3Bis zum Erscheinen von Quentin Tarantinos JACKIE BROWN (1997) – der sich in einigen Szenen durchaus bei 52 PICK-UP zu bedienen wusste – galt Frankenheimers Film als eine der stimmigsten Verfilmungen nach Elmore Leonard. Manche Kritiker sehen bis heute in 52 PICK-UP den handwerklich und inszenierungstechnisch besten Streifen, der in der legendären Filmfabrik des Gespanns Golan/Globus überhaupt je vom Band gerollt ist. Mit seinen vielen Finten und Hakenschlägen, agiler Frische im Timing und der atmosphärischen Gestaltung, gehört der Film zu den kleinen Klassikern der 1980er Jahre – auch nach Jahrzehnten wird man als Zuschauer seinem Charme geradewegs freiwillig erliegen.

___________________________________________________________________

52 Pick-Up, US 1986 | Regie: John Frankenheimer | Darsteller: Roy Scheider, Ann-Margret, John Glover, Vanity, Kelly Preston, Doug McClure u.a.

Anbieter: OFDb Filmworks