Geheimagent Barrett greift ein

Geheimagent Barrett greift ein

Von Christopher Klaese

Als hätte das rührige Label den Fans nicht schon manchen Traum erfüllt, setzt Anolis nun mit der Reihe „Phantastische Filmklassiker“ eine weitere Wegmarke. Die Eröffnung des Kapitels „Die 60er“ bildet GEHEIMAGENT BARRETT GREIFT EIN, ein leider zu Unrecht etwas in Vergessenheit geratener Hollywoodfilm, der bei seiner Premiere unterging – nur um mit den Jahren immer mehr an Aktualität und Wichtigkeit zu gewinnen. Lassen wir uns entführen in die widrig-staubige Wüste Kaliforniens.

Geheimagent Barrett_poster1Ein Unbekannter bringt aus einem US-Forschungszentrum für biologische Kriegsführung tödliche Viren in seinen Besitz, um die Regierung unter Druck zu setzen. Er will das atomare Wettrüsten zugunsten der Amerikaner verschieben und so den „Kalten Krieg“ entscheiden. Der Fanatiker droht, die Bevölkerung Los Angeles‘ auszurotten, wenn seiner Forderung nicht stattgegeben wird. Als er auf schreckliche Weise demonstriert, wie ernst es ihm ist, bleibt Geheimagent Barrett (George Maharis) kaum Zeit, um dem Erpresser den unheimlichen Kampfstoff abzujagen und die Katastrophe zu verhindern.

Schon der Vorspann mit seinen abstrakten Formen und farblichen Verfremdungen, die darüber hinaus punktgenau mit Jerry Goldsmiths Zwölftonpattern korrespondieren, lässt erahnen, dass wir es bei GEHEIMAGENT BARRETT GREIFT EIN mit mehr zu tun haben, als einer bloßen James-Bond-Kopie, wie sie in diesen Zeiten dutzendfach erschienen. Eher gemahnen die ersten Minuten an die Hitchcock-Credits eines Saul Bass – sie täuschen darüber hinweg, dass John Sturges diese für seine sonstigen Verhältnisse eher schmal budgetierte Produktion kurzerhand einschob, da sich die Vorbereitungen für Vierzig Wagen westwärts (1965) länger als gedacht hinzogen. Der Roman „The Satan Bug“, unter Pseudonym verfasst von Alistair MacLean, stellt die Angst vor Bakterien als Kampfstoff in den Vordergrund und Sturges – der das Geschehen in die Gegend um Los Angeles verlegen lässt – setzt diese mit dem erkennbaren Stil eines Westernregisseurs in Szene. Der wilde, doch breit ausladend und beizeiten etwas sehr ‚ruhig‘ erzählte Mix aus Agenten- und Kriminalfilm, atmet mit einer großen Dystopie-Attitüde und klassischen Science-Fiction-Ideen in Stil und Layout den Charakter eines wohltemperierten Neo-Westerns.

Geheimagent Barrett_3Die große Kälte und Professionalität, die unter Ausnutzung des vollen Cinemascope-Formats die Meisterschaft Sturges erkennen lässt, bedient sich in der besonderen Gestaltung durch extrem kontrastreiche Farbkompositionen und Ausleuchtungen der Stilistik der großen Hollywoodproduktionen und lässt sich niemals aus der Ruhe bringen. Sturges, der die charakteristische „amerikanische Nacht“ mit ihren eskapistischen Day-for-Night-Aufnahmen hier großangelegt ausspielt, inszeniert mehr die Schauplätze als die Schauspieler. Sowohl George Maharis als auch das ‚alte Fernsehschlachtross‘ Richard Basehart spielen wie Anne Francis oder Dana Andrews souverän und agil auf, sogar James Doohan – der später als Chefingenieur „Scotty“ bei STAR TREK (1966 – 1969) anheuert – hat einen kleinen Kurzauftritt. Doch ganz verhehlen, dass Sturges mehr an großangelegten Plansequenzen, farblichen Extravaganzen und beklemmenden Bildern des menschenleeren Los Angeles interessiert ist, kann GEHEIMAGENT BARRETT GREIFT EIN bis heute nicht so recht.

Geheimagent Barrett_poster2Für Jerry Goldsmith ist es ein Karrieremeilenstein und Erprobung seiner „Anton Webern auf LSD“-Musik, die er später für PLANET DER AFFEN (1968) schreiben würde. Mit atonaler Klangsprache und klassischem Jazzbackground grundiert er den Film, nervenzerrende Elektroeffekte und avantgardistische Tonführung inbegriffen. Dass für die Musik hochkarätige Sidemen der Branche wie die Flötisten Ronny Lang und Ted Nash, Pianist Artie Kane und Perkussionist Shelly Manne parat stehen, bürgt zusätzlich für die Qualität des Soundtracks, der dank des FSM-Labels als „Archival Edition“ auf CD erhältlich ist.

Das farbenprächtige Cinemascope-Bild präsentiert sich in hervorragender Abtastung im Originalformat, überzeugt durch kontrastreiche Kantenschärfe und beeindruckende Sauberkeit. Die in Berlin entstandene deutsche Synchronisation – die bis in Nebenrollen hochkarätig besetzt ist und mit der Verpflichtung Gert Günther Hoffmanns, dem damaligen Standardsprecher Sean Connerys, die Assoziation der Titelrolle mit jenem berühmtesten Agenten im Geheimdienst Ihrer Majestät noch zu verstärken sucht – gestaltet sich ebenso wie der englische Originalton rauscharm und gut verständlich. Das Mediabook ist mit zwei gezeichneten Covervarianten erschienen, wobei die Auswahl in Anbetracht der formschönen Motive schwerfallen dürfte. Prof. Dr. Marcus Stiglegger liefert einen sachkundigen Audiokommentar, in dem Bezüge zu anderen Filmen im Genre und eine filmkontextuelle Einordnung des Streifens erfolgt. Der englische und deutsche Kinotrailer präsentieren Hauptdarsteller Maharis, der sich selbst an das Publikum wendet und zum Besuch des Lichtspielhauses einlädt. Neben der deutschen Titel- und Schlusssequenz befinden sich sechs amerikanische Radio Spots, der deutsche Werberatschlag und das Filmprogramm sowie eine umfangreiche Bildergalerie in den Extras.

Geheimagent Barrett_1Auf der dem Mediabook beigefügten DVD befindet sich – neben umfangreichen Texttafeln zur Biographie John Sturges‘ – außerdem die sogenannte „Grindhouse“-Fassung, also die Abtastung eines deutschen Kinoprints, wie er 1965 in den Filmtheatern aufgeführt wurde. In den wohligen Retrorausch versetzt zusätzlich die vorangestellte, nostalgische Kinowerbung sowie ein Potpourri der Kinotrailer zu den kleinen und großen Meisterwerken STADT DER TOTEN (1960), RIO CONCHOS (1964), EDDIE BITTET ZUM BLEIGEFLÜSTER/Eddie, Blüten und Blondinen (1965), KOMM MIT ZUR BLAUEN ADRIA (1966), DER MASSENMÖRDER VON LONDON (1962), DER TOTE KEHRT ZURÜCK (1959) und EINE TOTAL, TOTAL VERRÜCKTE WELT (1963). Abrundend kredenzt man ein vierundzwanzigseitiges Booklet, das von Sam-Peckinpah-Kapazität Mike Siegel profund und kenntnisreich geschrieben ist.

GEHEIMAGENT BARRETT ist in Zeiten von wahr gewordener Bedrohung durch bakteriologische Kriegsführung aktueller denn je – die Zeit hat für den Film gearbeitet. John Sturges entführt uns in eine große Hollywoodwelt, die längst vergangen ist und doch ewig weiterleben wird. Wie epochal ein großes Opus über einen kleinen Käfer auszusehen vermag, kann vom geneigten Filmfreund hier erfahren werden – Geheimagent Barrett sollte in jedem Filmregal seinen Platz finden.

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The Satan Bug | USA 1965 | Regie: John Sturges | Darsteller: George Maharis, Richard Basehart, Anne Francis, Dana Andrews, John Larkin, Simon Oakland u.a.

Anbieter: Anolis Entertainment