Vier Fliegen auf grauem Samt

Vier Fliegen auf grauem Samt

Von Gerd Naumann

Lange Zeit umgab 4 MOSCHE DI VELLUTO GRIGIO (VIER FLIEGEN AUF GRAUEM SAMT / FRA/ITA 1971) der besondere Nimbus eines verschollenen Films. Weder existierten legale Video- oder DVD-Auswertungen, noch wurde er im Fernsehen ausgestrahlt. Es glich also regelrecht einem Wunder, dass der Film allen Widerständen und Materialschäden zum Trotz mittlerweile eine angemessene Veröffentlichung erfahren hat. Argentos dritter Spielfilm bildet den Abschluss der so genannten Tier-Trilogie, die mit L´ UCCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO (DAS GEHEIMNIS DER SCHWARZEN HANDSCHUHE / D/ITA 1970) begann und mit IL GATTO A NOVE CODE /DIE NEUNSCHWÄNZIGE KATZE / D/FRA/ITA 1971) fortgesetzt wurde. Alle drei Filme, vor allem L´ UCCELLO DALLE PIUME DI CRISTALLO, waren stilbildend für eine Spielart des italienischen Kriminalfilms, dem Giallo. Die Handlungen sind oftmals verwirrend und die Plotauflösungen teils haarsträubend. Die Spannung wird im Giallo subtiler erzeugt – durch Musik, Kameraarbeit und kreative Montage.
VierFliegen_Poster1Der junge Rockmusiker Roberto wird von einem ominösen Mann verfolgt und bringt diesen im Eifer des Gefechts um. Ein Unbekannter fotografiert die Tat und setzt Roberto hierdurch unter Druck. Es geschehen von nun an rätselhafte Morde. Die schlussendliche Auflösung ist dann, gelinde gesagt, etwas konstruiert… Eine objektive Bewertung ist schwierig, denn zu viele Legenden haben sich mittlerweile um den „verschollenen“ Argento-Film gebildet. Diesem Status kann er natürlich nicht durchweg gerecht werden. Technisch perfekt, fallen denn auch einige Logiklöcher im Plot auf. Wie in so vielen Filmen Argentos bleibt zudem der männliche Hauptdarsteller eigenartig blass. Michael Brandon als Roberto besitzt nicht die notwendige physische und schauspielerische Präsenz, um den Film zu tragen. Die weiteren Rollen sind durchaus adäquat besetzt. Zu nennen sind hier unter anderem die unvergleichliche Mimsy Farmer und, in einer kleinen Nebenrolle, Bud Spencer. Stilistisch herausragend ist die Thriller-Jazz-Musik Ennio Morricones, der ebenso zu den anderen Beiträgen der Tier-Trilogie die Musik komponierte.
VierFliegen_5Einen geradezu magischen Kinomoment schenkt uns Argento überdies mit der letzten Sequenz, einem morbiden Todesballett in zeitlich gedehnter Momentaufnahme. „Komm süßer Tod“, diese Zeile liegt einem da auf den Lippen. Und tatsächlich wirkt 4 MOSCHE DI VELLUTO GRIGIO so, als wäre er nur auf diesen einen Moment hin inszeniert worden. Die finale Erlösung – sie kommt unausweichlich! Allerdings beiläufig und von einer Zärtlichkeit, wie sie von Argento nicht zu erwarten gewesen wäre…
VierFliegen_2Die vor einiger Zeit über Koch Media/NSM erschienene Mediabook-Edition ist prächtig. Enthalten ist der Film auf DVD und Blu-ray sowie eine Zusatz-Disc. Gerade die Blu-ray lässt den Film in ungeahnter Pracht erstrahlen. Bis auf sehr wenige, nicht optimal erhaltene Szenen, ist die Bildqualität hervorragend. Geboten wird neben italienischem und englischem Ton auch die zeitgenössische deutsche Kinosynchronfassung. Leider ist diese suboptimal erhalten, es sprechen aber markante Größen wie Norbert Langer, Wolfgang Draeger oder Christian Brückner. Schön, dass diese gelungene Sprachfassung nun zugänglich ist. Auf der Bonus-DVD finden sich zwei ausführliche Features. In dem langen Beitrag DER FALL DER VIER FLIEGEN kommen der Regisseur sowie Bud Spencer und Luigi Cozzi zu Wort. IN AUTOPSIE EINER FLIEGE wird eine fundierte filmhistorische Verortung vorgenommen. Nach diversen Mediabook-Neuauflagen erschien vor kurzem nun auch eine Standardedition. Man reibt sich staunend die Augen, in welcher Qualität dieser lange Jahre sträflich vernachlässigte Film nun vorliegt.

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4 mosche di velluto grigio, FRA/ITA 1971 | Regie: Dario Argento | Darsteller: Michael Brandon, Mimsy Farmer, Jean-Pierre Marielle, Bud Spencer, Aldo Bufi Landi, Calisto Calisti u.a.

Anbieter: Koch Media