Krieg im Weltenraum

Krieg im Weltenraum

Von Christopher Klaese

Alle Zuschauer, die sich weiterhin gerne im wohligen Gefühl aalen möchten, Gene Roddenberry hätte mit der integrativ-menschenfreundlichen Vielvölkermessage seines STAR TREK (1966 – 1969) Grundlegendes geleistet und Roland Emmerich mit den großformatig-sensationslüsternen Stadteinäscherungen am INDEPENDENCE DAY (1996) eine neuartige Kinogeschichte erzählt, sollten sich KRIEG IM WELTENRAUM niemals ansehen. Für alle Menschen jedoch, die eine etwaige Desillusionierung nicht scheuen, könnte sich dieses Meisterstück des Tokusatsu-Genres lohnen – auch wenn man dabei nicht umhin kann festzustellen, dass sowohl der ‚Great Bird of the Galaxy‘ als auch der ‚Spielbergle aus Obertürkheim‘ mehr als einmal in Japan abgekupfert haben.

Krieg_im_Weltraum_PosterIm Jahre 1965 sieht sich der blaue Planet einer außerirdischen Gefahr gegenüber: seelenlose, gedankenbeherrschende Wesen aus dem All wollen die Erdbevölkerung unterjochen und haben dazu eine Basis auf dem Mond errichtet. Diese Bedrohung schweißt die Nationen zusammen und lässt eine Gruppe von Astronauten den Weg zum Trabanten antreten. Doch was sie dort vorfinden übersteigt jedwede Vorstellungskraft und wächst sich zum finalen Kampf aus, der über nicht weniger als die Existenz unserer Zivilisation entscheidet.

Als hätte das Team um Produzent Tanaka, Regisseur Honda, Autor Sekizawa, Effektemeister Tsuburaya und Komponist Ifukube mit GODZILLA (1954) und dessen Fortsetzungen nicht schon genug filmhistorische Pionierarbeit geleistet; doch mit KRIEG IM WELTENRAUM stießen sie erstmals dorthin vor, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen war. Realisiert als damalige A-Produktion der Toho-Studios wurde der Streifen nicht weniger als ein Meilenstein der Filmgeschichte, dessen erzählte Geschichte – die von Welles bis Wise alles verquirlte, was sich an Bedrohungen aus dem Weltall schon einmal als funktional und effektiv hatte – dank der für damalige Verhältnisse wegweisenden Tricktechnik auf eine neue Eben gehoben wurde. Noch nie zuvor hatte es Raumschiffkämpfe in der Schwerelosigkeit gegeben, Honda und Tsuburaya betraten mit Ihren faszinierenden Bildern filmisches Neuland. Wer meinte, Weltraumschlachten aus KAMPFSTERN GALACTICA (1978 – 1980) wären noch nie da gewesen und triefender Pathos im Geiste des ARMAGEDDON – DAS JÜNGSTE GERICHT (1998) hätte sich Michael Bay ausgedacht, der wird eines Besseren belehrt – denn nicht wenige Kultfilme bedienten sich später oft und gerne bei Hondas Meisterschöpfung. Und auch die Ideen eines George Lucas erscheinen nach der Sichtung von KRIEG IM WELTENRAUM nicht mehr ganz so innovativ wie vielleicht gedacht.

Krieg_im_Weltraum1Die Charakterzeichnung der auftauchenden Figuren bleibt zwar naturgemäß etwas oberflächlich – nicht verwunderlich und kein Makel, da die Tricks und Special Effects die eigentlichen Stars des Films sind – doch das personelle Grundkonzept bietet genügend Stoff für eine durchgehend spannende Handlung, die darüber hinaus auch noch damit überraschen kann, dass die japanische Spannungsdramaturgie sich grundlegend von der westlichen unterscheidet. Dass das alles im landestypischen Hang zur artifiziellen Wirklichkeit – die den ‚endlichen‘ Realismus stets durch ‚unendliche‘ Kunstfertigkeit in den Schatten stellt – serviert wird und die Inszenierung sich in Ausstattung und Miniaturmodellierung dadurch auszeichnet, mit großer Liebe zum Detail zu arbeiten, erhöht die Freude für den geneigten Zuschauer erheblich. Auch auf der Tonspur tut sich Großes, ist mit Akira Ifukube doch ein genialer Tonsetzer am Werk. Seine mit großem Orchester eingespielten Partituren, die mitunter thematisch den legendären GODZILLA-Marsch zitieren und westliches Klangpanorama mit fernöstlicher Melodik verweben, geben dem Streifen zusätzlichen Tiefgang und halten dem Vergleich mit den Kompositionen aus der Tramfabrik jederzeit stand. Dass Ifukube an besonders exponierten Punkten der Handlung gerade durch das Weglassen von Musik auffällt, ist in Zeiten des dauerhaften Hollywoodklangbreis eine wohltuende Abwechslung für das Filmmusikohr.

In der Reihe ‚Die Rache der Galerie des Grauens‘ erscheint KRIEG IM WELTENRAUM als mittlerweile 8. Eintrag zu dieser begeisternden Serie. Veröffentlicht als BD-/DVD-Kombo-Release erstrahlt der in breitwandigem TohoScope und Technicolor gedrehte Film in neuem Glanz, zeigt sein ganzes Spektrum an Effekten und farblichen Finessen auf großen Diagonalen und Heimkinowänden dieses Landes. Neben dem japanischen Originalton und der deutschen Synchronisation – in der sich die Sprechergranden der beginnenden 1960er Jahre quasi das Mikro in die Hand geben – ist der englische Dub verfügbar; die einst geschnittenen Stellen liegen in Japanisch mit deutschen Untertiteln vor. Zwei Audiokommentare sind zum Hauptfilm anwählbar: einmal das Doppel aus Dr. Rolf Giesen und Jörg M. Jedner, separat das Gespann Steve Ryfle und Ed Godziszewski – beide in Ihrer Fülle an Informationen zu Kaijus und den allgemeinen Kinophänomenen damaliger Zeit kaum zu toppen. Extra anspielbar ist die deutsche Kinofassung, die mit der amerikanischen Version inhaltsgleich ist und einst leicht gekürzt von Columbia Pictures in den Verleih gebracht wurde. Neben dem deutschen Kinotrailer sind die alte Super-8-Fassung, der deutsche und amerikanische Werberatschlag, das Filmprogramm und eine ausufernde Bildergalerie enthalten. Abrundendes Schmankerl ist ein 20-seitiges Booklet, welches Audiokommentierer Jedner unter seinem KX-gestählten ‚nom de plume‘ Jo Steinbeck verfasste und viele Fakten und Hintergründe zu Darstellern und Filmmotiven in ausführliche Zeilen kleidet.

Krieg_im_Weltraum3KRIEG IM WELTENRAUM ist in jeder Hinsicht ein Erlebnis. Ob als zeitgeschichtlicher Weitblick in die Zukunft – die heute Vergangenheit ist – oder als filmische Großtat aus dem Reich der aufgehenden Sonne; ob unter dem Blick der kindlichen Liebe zum überdrehten Spektakel oder dem Brennglas der utopischen Effektspielereien: Hondas Film gebührt ein Ehrenplatz in jedem Filmsammlerregal. Denn er erfand vieles, womit noch Generationen von Filmemachern erfolgreich sein sollten … und lässt den Zuschauer immer wieder abheben – an Klavierdraht und mit jeder Menge Fantasie.

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Uchu Daisenso, Japan 1959, R: Ishirō Honda, D: Ryô Ikebe, Kyôko Anzai, Koreya Senda, Harold Conway, Minoru Takada, Len Stanford

Anbieter: Anolis Entertainment