Invasion aus dem Inneren der Erde

Invasion aus dem Inneren der Erde

Von Bodo Traber

„Eine Welt der Zukunft, wie sie sich Jules Verne nicht besser hätte ausdenken können“ verspricht das Plakat, auf dem Autos und Menschen durcheinander purzeln, Todesstrahlen, Monster und Roboter die Welt bedrohen und über allem der Infra-Superman im roten Poweranzug thront. 1976 war Jules Verne noch verlässliche Referenz, das jugendliche Publikum mit dem Namen noch vertraut genug, um futuristische Wunder damit zu assoziieren, und mit Sicherheit wurde auch der deutsche Titel des Films an dessen klassische „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ angelehnt – und die Handlung entsprechend etwas zurecht gebogen. Die internationalen Trailer finden ihre eigenen Superlative, manchmal etwas diametral zur Intention. Da blitzt, biept und kickt es am Stück, die Erde tut sich auf und enthüllt Erschröckliches und Köpfe und Tränen kullern alsbald – keineswegs den falschen Eindruck von diesem Film vermittelnd, bei dem man sich durchaus ungläubig die Äuglein reibt, auch wenn man ihn noch aus Kindertagen kennt. INVASION AUS DEM INNEREN DER ERDE (aus dem „Inneren“, nicht aus dem „Innern“) war nach UFOS ZERSTÖREN DIE ERDE eines der wichtigsten Provinz-Kino-Events der Prä-STAR-WARS-Zeit. Ich war damals mit meiner Cousine drin, die sehr angetan war von Danny Lee. Hu, lang ist’s her…

Invasion CoverDie Grundmuster erinnern an Comic Strips – oder frühe Serials – und sind effizient bis fragmentarisch erzählt – es braucht nur wenige Sets und noch weniger Dialog, um die Situation zu entwickeln, aus der ein ganzer, herzerfrischender Weltkonflikt hervorgeht: Eine scheußliche Monsterarmee aus dem Inneren der Erde bedroht dieselbe – die Rettung der Welt liegt in den Händen des ersten chinesischen Superhelden der Leinwand, des Infra-Man, in den der geniale Professor Liu seinen jungen, robusten Assistenten Ray(ma) verwandelt hat. Im Wesentlichen durch technische Implantate zum Kyborg umgebaut, wartet der neue Supermensch nun mit so praktischen Vorzügen wie Unverwundbarkeit und Überkraft auf. Dem großen Kung-Fu-Kampf gegen die Knuddelmonster steht nun nichts mehr im Wege.

Visuelle und narrative Motivik springen ein bisschen zwischen Martial Arts, Fetischerotik, SF und Fantasy, der vor allem die heiße Unterweltfürstin Dämona (im Original: Prinzessin Elzibub), die dringenden Anspruch auf die Weltherrschaft erhebt, und ihr Hofstaat zu entstammen scheinen. Überhaupt liefert der Film einen grandiosen Best-of-Mix aus allen zeitüblichen Motiven, die das fernöstliche Genrekino der 70er Jahre erschüttert haben. Vorbild war das japanische Kino der ‚Kaiju’-Sparte und die in Hongkong sehr populären Superhelden-Serien um ULTRAMAN oder KAMEN RIDER, als die Shaw Brothers sich entschlossen, sich ebenfalls auf dem phantastischen Terrain zu versuchen, nachdem sich das berühmte Hongkong-Studio über die Jahre hinweg zur erfolgreichsten Produktionsfirma von Kung-Fu-Filmen entwickelt hatte und auf der Suche nach neuen Entfaltungsmöglichkeiten war. Die Kreation des Infra-Man und seines ersten Leinwand-Abenteuers gelang als chinesisch-japanisches Joint Venture unter schwierigen Bedingungen; obwohl Creature- und Figuren-Design und Spezialeffekte von angeheuerten japanischen Künstlern kreiert wurden und sogar hinter der Kamera ein Japaner stand, wiesen ihnen die Shaw Brothers im Marketing chinesische Pseudonyme zu, um die Marktchancen des Films nicht durch vermeintliche anti-japanische Ressentiments zu gefährden, die sie unter dem chinesischen Publikum auch 30 Jahre nach Kriegsende noch befürchteten. (Die spannende Produktionsgeschichte des Films ist im wunderbaren Booklet von Alex Iffländer, auf das hier dringend verwiesen sei, ausführlich und detailgenau geschildert.)

InvasionHeute bietet der Film neben mancherlei bestaun- und schwer verdaubaren Lächerlichkeiten in der Kostümgestaltung vor allem ein begeisterndes, im Vollen schwelgendes Set Design, das sicher nicht zufällig Erinnerungen an die großen Entwürfe Ken Adams für die klassischen James-Bond-Filme weckt, und eine in jeder Hinsicht atemraubende Farbgebung. Das neue Master, das dieser Edition zugrundelag, präsentiert ihn gestochen scharf und brillant und in einer Pracht, in der man ihn wahrscheinlich nicht einmal damals in der Jugendvorstellung bewundern konnte, eingebettet in eine liebevolle Edition, die als Nr. 3 der „Trivialfilm-Kollektion“ von Media Target – hier auf DVD und Blu-Ray – vorgelegt wird und der als Nr. 4 der dazu passende KOLOSS VON KONGA (THE MIGHTY PEKING MEN) nachfolgen soll. Die Fassung ist integral mit exzellenter deutscher Untertitelung; es gibt sie wahlweise mit kompetenter Einführung von Jörg Buttgereit und chinesischer oder deutscher Tonspur (die anzulegen, wie man hört, ein erhebliches Stück Arbeit war, da die einzige deutsche Kinokopie schon stark beschädigt war und man den Ton daher von der VHS nehmen musste). Für einige Szenen, die in der deutschen Version fehlten, gibt es eine Fehlstellen-Untertitelung, außerdem für Nostalgiker unter dem Extra-Punkt „Jugendvorstellung“ die gekürzte und verschrabbelte deutsche Kinofassung, die in der Tat noch immer ihren eigenen Charme entwickelt. Die deutsche Synchronisation an und für sich ist schon ein Erlebnis. Und wer will, bekommt auch noch ein IT mit alternativer Musik und Geräuschen, um sich zu Hause seine eigene Synchro zu zaubern.

In jedem Fall einer der großen Chinaböller dieser Saison; vermutlich wirklich hauptsächlich für Leute geeignet, die sich ihr inneres Kind von damals bewahrt haben. Aber das ist ja nichts Verwerfliches.

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The Super Inframan / Zhong guo chao ren, Hongkong 1975, R: Hua Shan, D: Danny Lee, Terry Liu, Dana Tsen, Wang Hsia, Yuan Man-Tzu, u.a.

Anbieter: Media Target Distribution