Ex Machina

Ex Machina

Von Heinz-Jürgen Köhler

Eine der schnellsten Expositionen der Filmgeschichte: Ein paar Klicks, Glückwünsche per WhatsApp, applaudierende Kollegen, und schon sitzt Caleb (Domhnall Gleeson) im Hubschrauber. Der junge Programmierer hat eine Woche auf dem Anwesen seines Chefs, eines einsiedlerischen Entwicklergenies, gewonnen. Dass es doch wohl kein firmeninternes Gewinnspiel war, erfahren wir erst später in einer der gezielt gesetzten Wendungen, die die Geschichte nimmt.

ex.machina.2015.cover2Rhythmisches Stöhnen ist das erste, was Caleb von Chef Nathan (Oscar Isaac) hört. Der Bilderbuch-Nerd mit Beinahe-Glatze, Hipster-Vollbart und durchtrainiertem Körper bearbeitet einen Boxsack. Er lebt einsam in einem gigantischen Haus in einer entlegenen Fjordlandschaft, das halb naturnaher Glaspalast, halb abgeschiedener Bunker ist. Dort hat Nathan einen Roboter gebaut: Ava (Alicia Vikander), die ein menschliches Gesicht, Hände und Füße hat und ansonsten einen Körper aus einer Art Drahtgeflecht, durch das elektronische Bausteine und Leuchtdioden zu sehen sind.

Calebs Aufgabe in dieser Woche: Er soll feststellen, ob Ava über künstliche Intelligenz verfügt, ob sie eine Art Bewusstsein hat – er soll also einen Turing-Test durchführen. Turing? Richtig, die Lebensgeschichte des englischen Mathematikers und Computerpioniers Alan Turing erzählte gerade der biografische Spielfilm THE IMITATION GAME. Und sieht nicht Hauptdarsteller Domhnall Gleeson, der Sohn von Schauspieler Brendan Gleeson, in manchen Einstellungen tatsächlich aus wie der kleine Bruder von Turing-Darsteller Benedict Cumberbatch? Wahrscheinlich geht das zu weit. Ansonsten aber ist der Film nicht arm an Anspielungen.

ex.machina.2015.still2Die große Folie, die stets durchschimmert, ist die christliche Schöpfungsgeschichte. Die Erzählung umfasst sieben Tage, was noch durch die Einteilung des Films in sieben Kapitel betont wird. Nathan, der sogar einmal als Gott bezeichnet wird, lebt in einem wahren Garten Eden. Und nur ein Vokal unterscheidet Ava von der ersten Frau des christlichen Schöpfungsmythos. Der gottgleiche Nerd, der seine Einsamkeit in seinem Forschungspalast regelmäßig im Alkohol ertränkt, erschafft freilich Roboter, kein menschliches Leben.

Mensch oder Maschine – das war die Frage in Philip K. Dicks Roman „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“ (in dem eine Variante des Turing-Tests vorkommt), 1982 als BLADE RUNNER verfilmt. In EX MACHINA ist klar, dass Ava ein Roboter ist – und die Frage lautet, wie viel Mensch in dieser Maschine steckt. Caleb ist jedenfalls gleich fasziniert von der Roboterin, erst nur als Informatiker, dann auch als Mann. Und mit ihm erliegt auch der Zuschauer dieser Persönlichkeit, die so offen, neugierig und vorurteilsfrei und manchmal sogar poetisch ist.

ex.machina.2015.coverDabei ist EX MACHINA vielleicht Science Fiction, aber mit deutlicher Betonung auf Science. Bei Nathans Suchmaschinenfirma, die Zugriff auf alle Smartphones der Welt hat, liegt die Parallele zu Google nah. Und lernende Roboter, die menschliche Mimik entschlüsseln können, sind kein Thema von übermorgen, sondern höchstens von morgen, wenn nicht sogar von heute.

Alex Garland, der als Schriftsteller mit dem Roman „Der Strand“ bekannt wurde und als Drehbuchautor mit dem Skript zu 28 DAYS LATER, gibt hier sein Regiedebüt und fungiert wiederum als Skriptautor. Dabei demonstriert er eindrucksvoll die Gabe, Dialoge zu schaffen, die manchmal den Gehalt von Informatikseminaren haben und doch absolut faszinierend sind in der Umsetzung durch Gleeson und Isaac. Wie wird sich die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine zukünftig gestalten? Werden Roboter mehr als nur geistig anspruchlose Tätigkeiten ausführen? Entwickeln sie Empathie, Kreativität? Diese hochaktuellen Fragen dekliniert dieses konzentrierte Kammerspiel durch. Dabei nimmt die Geschichte einige Wendungen, die man atemlos verfolgt – bis zur grimmigen Schlusspointe, bei der eine Person Nathans Forschungsfestung verlässt, genau wie zu Anfang eine diese betreten hat.

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Ex Machina, Großbritannien 2015 | Regie/Buch: Alex Garland | Mit: Domhnall Gleeson, Alicia Vikander, Oscar Isaac, Sonoya Mizuno, Chelsea Li, Evie Wray, Corey Johnson, Deborah Rosan | Laufzeit: 108 Min., Verleih: Universal (Kinostart: 23.4.2015)