In the Name of the Son

In the Name of the Son

Von Christopher Klaese

Mal folgendes angenommen: jemand kommt auf die Idee, DER BLUTIGE PFAD GOTTES (The Boondock Saints, 1999) und ADAMS ÄPFEL (Adams æbler, 2005) mit einem kräftigen Schuss Katholizismuskritik zusammenzuwürfeln, sich einige Kniffe bei Quentin Tarantinos KILL BILL (2003/2004) abzugucken – ohne dessen manchmal allzu zitatverliebte Stilistik zu übernehmen – und alles hochdramatisch, frei von wahnwitziger Abgehobenheit neu anzuordnen. Was dabei herauskommt, ist vorliegender Film: AU NOM DU FILS – IN THE NAME OF THE SON.

in.the.name.of.the.son.2012.coverAuf Elisabeth – zweifache Mutter, liebende Ehefrau und Moderatorin der christlichen Radio-Talkshow „Das lebende Wort“ – prasseln die Prüfungen nieder wie einst die Plagen aufs ägyptische Volk. Erst bläst sich ihr Mann bei der Ausbildung in der gläubig-militanten Wehrsportgruppe „Soldaten von Pius XII“ aus Blödheit den Schädel weg, dann vergeht sich der Geistliche Achille an ihrem Ältesten Jean-Charles, der seinerseits durch eigene Hand aus dem Leben scheidet. Als der zuständige Bischoff, durch Elisabeth mit dem Vorwurf der Päderastie konfrontiert, das geschehene Unrecht negiert und beleidigend auf die gläubige Katholikin einredet, ist das Maß voll. Mit Ballermann und Gebetbuch bewaffnet macht sich Elisabeth an die Arbeit. Da hilft kein Flehen mehr, der Tag des Herrn ist gekommen – in Gestalt einer Dame!

Vincent Lannoos dramatisches Racheepos mit derb-satirischen Seitenhieben war beim Fantasy Filmfest 2013 die große Sensation. Die belgisch-französische Koproduktion vereint „Bibel mit Splatter zur spirituellen Apokalypse“ (epd-Film), wobei der Film zwar skurril-wahnwitzige Elemente präsentiert, jedoch nie die Bodenhaftung verliert. In den entscheidenden Momenten nimmt der Film Tempo raus, ohne damit zu langweilen; wenn es ernst wird, wird er eher dramatisch-schweigsam als plappernd-erklärend. Unterm Strich ist er grotesk und böse, aber dennoch immer ernsthaft und erdig. Ein polarisierender Film, aber eben intelligenter als der übliche Funsplatter unserer Tage, darüber hinaus thematisch gewagt und für Kenner der Materie noch einige zusätzliche Insidergags enthaltend.

Optisch generiert der Film eindrucksvolle Bilder, scheut nicht vor dem Slapstick, serviert Seitenhiebe auf testamentarische Sinnbilder – die ausschließlich von Frauen besetzte Jury einer Tombola persifliert in ihrer Anordnung da Vincis weltberühmtes Gemälde vom ‚letzten Abendmahl‘ – und vollführt einen Showdown in klassischer Westernmanier, wobei man sich nicht in der Wüste sondern im saftigen Gras der italienischen Alpen wiederfindet. Der Traktor ist neu, die Methode alt – nur kleinkalibrig Handliches bleibt als weltliches Mittel zur Himmelfahrt, die Weide flirrt vor Spannung. Das Ende des Streifens präsentiert sich dann noch einmal reichlich doppelbödig, lässt Raum für Spekulationen, ist bildgewaltig und transzendental.

Unangefochtener Star dieser Apotheose ist natürlich Astrid Whettnall, die den Film fast im Alleingang trägt und jede ihrer Szenen mit beeindruckender Präsenz ausfüllt. Den Wandel ihrer Elisabeth, vom treuherzigen Opferlamm zum rächenden Mutterschaf, gestaltet sie facettenreich; mit Verve arbeitet sie sich durch die Liste der pädophilen Geistlichen, schlägt mit ihrer 9-mm tiefe Schneisen in die Reihen des Klerus. Nie verbunden mit einer simplen “Gut gegen Böse”-Allegorie, sondern stets mit den Worten der Schrift im Hintergrund: “Die Rache ist mein, spricht der Herr”.

in.the.name.of.the.son.2012.still2Interessant ist auch die musikalische Untermalung von Michelino Bisceglia. Neben vereinzeltem Sakralkolorit greift er auf bedrohliche Symphonik zurück, leistet sich jedoch für den Showdown ganz klare Anleihen beim Sound eines Italowestern. Die partiell eingestreuten Zitate klassischer Musik begeistern ebenso, mit passend kommentierendem Charakter versehen sind u.a. Glenn Millers “I know why”, die Ouvertüre aus Mozarts “Die Hochzeit des Figaro” und Victor Youngs “Theme from Johnny Guitar”.

Für den Release in Deutschland – als Single-DVD, Blu-ray oder Mediabook – verhalf man dem Film zu einer niveauvollen Synchronbearbeitung, die sich sehr harmonisch in das Gesamtkunstwerk einfügt. Der französische Originalton ist selbstverständlich ebenfalls enthalten. Der Transfer zeigt sich in guter Verfassung und gibt die zum Teil sehr tristen Bilder des Filmes entsprechend wieder – einen deutlichen Schärfezugewinn lässt die Blu-ray entdecken, die für den Filmgenuss in dieser Hinsicht vorzuziehen sein sollte. Bei den Extras muss man geringere Ansprüche stellen, denn außer einigen Trailern und Verweisen beziehungsweise Ankündigungen anderer Veröffentlichungen des Labels findet sich nicht allzu viel.

Insgesamt ist Regisseur Lannoo mit AU NOM DU FILS – IN THE NAME OF THE SON eine eindringliche und gleichzeitig subversiv-burleske Satire gelungen, die dem Zuschauer oftmals das Lachen buchstäblich im Halse stecken bleiben lässt und stets überrascht.

Begleiten Sie Elisabeth, den Zorn des Herrn, auf Ihrem Kreuzzug gegen die falsch verstandene Nächstenliebe. Auge um Auge … Zahn für Zahn!

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Au Nom Du Fils – In The Name Of The Son, Belgien/Frankreich 2012, Regie: Vincent Lannoo, Mit: Zacharie Chasseriaud, Astrid Whettnall, Philippe Nahon, Achille Ridolfi, Albert Chassagne, Jacky Nercessian u.a.

Anbieter: Donau Film/Intramovies