Mach ein Kreuz und fahr zur Hölle

Mach ein Kreuz und fahr zur Hölle

Von Bodo Traber

Noch ein Film aus der Blütezeit des Vigilantenfilms der 70er Jahre, der unter dem Titel FIGHTING MAD veröffentlicht wurde und nicht mit Cirio H. Santiagos EIN MANN WIRD ZUM KILLER verwechselt werden sollte (zumal er als Videoedition auch noch denselben deutschen Titel trug): Jonathan Demmes Frühwerk von 1976 entspricht dem gängigen Schema ebenso, wie er es gegen den Strich bürstet. Lange bevor er sich mit SOMETHING WILD (1986), THE SILENCE OF THE LAMBS (1991) und PHILADELPHIA (1993) ein weltweites Publikum eroberte (und dieses dann wieder verlor), gehörte Demme neben Jack Hill, Steve Carver oder Paul Bartel der Exploitation-Schmiede Roger Cormans an und hinterließ mit CAGED HEAT (DAS ZUCHTHAUS DER VERLORENEN MÄDCHEN, 1974) und CRAZY MAMA (VERRÜCKTE MAMA, 1975) zwei ehrenwerte Klassiker des Drive-In-Kinos. Dass FIGHTING MAD in Vergessenheit geriet wie so vieles aus jener Zeit, nimmt jedoch nicht wunder, denn auf dem Höhepunkt der Selbstjustiz-Knaller wurde der Film zu einem unter vielen – selbst aus der Produktion Cormans – und blieb dabei zu unspektakulär und geradezu seriös, um sich in die Trash-Annalen einzuschreiben.

fighting.mad.1976.coverDem zeitgleich entstandenen VIGILANTE FORCE ähnlich, den Demmes Freund und Kollege George Armitage für Roger Cormans Bruder Gene in Szene setzte, transferiert FIGHTING MAD überkommene Western-Motive in die Gegenwart des amerikanischen Mittelwestens der 1970er und offenbart damit, wie wenig sich in hundert Jahren US-Geschichte tatsächlich verändert hat. (Selbst der blumige deutsche Kinotitel erinnert eher an Italowestern.) Wie einstmals zur Pionierzeit sind die kleinen Farmer dem Expansionsdurst ihrer reichen Nachbarn hilflos ausgeliefert; die Regierung ist weit weg, der Gesetzesvertreter gefügig und das Recht auf der Seite desjenigen, der es selbst in die Hand nimmt. An die Stelle der Großrancher, die das Farmland für ihre Weiden an sich rissen, oder der Eisenbahnbosse, die es für ihre Schienen brauchten, sind mächtige Unternehmer und Konzerne auf der Jagd nach Bauland oder Bodenschätzen getreten. In FIGHTING MAD ist es der skrupellose Mr. Crabtree, der konsequent daran arbeitet, den ansässigen Farmern ihren Besitz abzujagen, um ein riesiges Bauprojekt auf Regierungskosten voranzutreiben. Der zuständige Senator sitzt mit im schmutzigen Boot, der Richter, der sich auf die Seite der kleinen Leute stellt, wird auf offener Straße umgebracht, und Tom Hunter (Peter Fonda als New-Hollywood-Ikone der Rebellion besetzt), der nach Jahren in der Fremde mit seinem kleinen Sohn nach Clarkville und auf die elterliche Farm zurück kehrt, kommt gerade noch zurecht, um die Ermordung seines Bruders und dessen Frau mitzuerleben. Die Mörder sind unter der Werkspolizei Crabtrees zu finden, das weiß jeder und niemand tut etwas dagegen – am allerwenigsten Toms Vater, der noch immer an das Recht glaubt, als seine Welt bereits in Trümmer fällt…

fighting.mad.1976.still2Ölkrise, Watergate und Vietnam hatten den Glauben der Bevölkerung an das eigene System nachhaltig erschüttert – dort in Washington versank alles in einem Sumpf der Korruption; der US-Präsident war zurückgetreten und von einem Amtsnachfolger ersetzt worden, den nie jemand gewählt hatte. Und da war niemand, der verantwortlich war für das hinterlassene Chaos im In- und Ausland. Erst mit Jimmy Carter, dem Erdnussfarmer aus Georgia, der 1977 ins Weiße Haus einzog, sollte sich das – kurzzeitig – ändern… – Als Tom Hunter beschließt, sich zu wehren, herrscht in Arkansas noch Faustrecht. Die Arbeiter Crabtrees sind die modernen Viehtreiber eines lokalen Großranchers und benehmen sich wie Marodeure auf besetztem Gebiet. Crabtree beugt sich das Recht, bis die Wogen des Verbrechens, die er ausgelöst hat, über ihm selbst zusammenschlagen. Es beginnt fast hilflos, als Tom nächtens ein Baufahrzeug anzündet, aber tatsächlich entfacht er damit einen Kleinkrieg, der immer weiter um sich greift.

Trotz der eindeutigen affektiven Struktur – das Unrecht des Bösen nimmt solche Ausmaße an, dass die entschlossene Gegenwehr des Heimgekehrten zur Katharsis des provozierten Rechtsempfindens wird – entzieht sich Demmes FIGHTING MAD dem sonst üblichen spekulativen Genuss des Rachefeldzugs. Nüchtern rollt der Austausch der Gewalt ab, bis zur Routine wiederholen sich deprimierende Gemeinheit und viehische Brutalität. Spaß macht dieser Film nicht. Am Ende hat der kleine Mann, der sich nichts mehr bieten ließ, wahrhaftig gewonnen, aber das ist eher ein zufälliger Glücksfall und weder ein Sieg des Rechts noch eine begründete Hoffnung auf irgend eine Besserung der Verhältnisse. Im selben Jahr 1976 hat Barbara Kopples „Oscar“-gekrönter Dokumentarfilm HARLAN COUNTY, USA gezeigt, dass nur wenig an den Praktiken der Großkonzerne, wie sie etwa in FIGHTING MAD dargestellt werden, wirklich fiktiv ist.

fighting.mad.1976.still3Überhaupt wirkt der Film wie eine eigenwillige Mischung aus gewaltbesessenem Exploitation-Kino und spätem, anspruchsvollem New Hollywood. Demme arbeitet dezidiert mit Symbolen (auch das Drehbuch schrieb er selbst), wenn er Peter Fonda wie einen Indianer im Kampf gegen weiße Siedler mit Pfeil und Bogen ausstattet oder die nach einer Sprengung den Berg herabrollenden Felsen (in einer wuchtvollen Szene) das Haus einer Familie unter sich zermalmen. Tom Hunter ist kein Vietnamveteran wie in den meisten dieser Geschichten, sondern ein Junge vom Land, dessen Leben in der Großstadt gescheitert ist und der nur zurück will in die heile Welt seiner Kindheit. Er kommt mit seinem kleinen Sohn zurück auf die Farm, auf der er aufgewachsen ist, aber dort ist der vermeintliche Fortschritt in Gestalt mörderischer kapitalistischer Gier und megalomaner Umweltzerstörung eingebrochen. Der Topos der 70er, der schon den Horrorfilm (FROGS) und den Abenteuerfilm (DELIVERANCE) geprägt hatte, sollte sich auch in Western (PALE RIDER) und Vigilantenfilm niederschlagen. Im realen Leben ist es nicht die Natur, die zurück schlägt und die Bösen bestraft. Der Rächer muss ihr unter die Arme greifen und im Dienste der Umwelt Amok laufen; seine Gewalt ist legitimiert mit nicht weniger als der Zukunft der Menschheit…

Explosive legt den interessanten historischen Exkurs in eine Epoche, als selbst der Exploitationfilm noch wütend politisch war, erstmals als deutsche DVD-Veröffentlichung vor. Die Qualität ist akzeptabel, wenn auch, dem damals verwendeten Filmmaterial geschuldet, nicht wirklich brillant, und Untertitel wären hilfreich gewesen. Aber in jedem Fall eine Entdeckung wert. Bleibt nur noch die Frage, wann endlich mal jemand CAGED HEAT und CRAZY MAMA herausbringt!

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Fighting Mad, USA 1976, Regie: Jonathan Demme, Mit: Peter Fonda, Scott Glenn, Philip Carey, John Doucette, Lynn Lowry, u.a.

Anbieter: Explosive Media