Predestination

Predestination

Von Caroline Lin

Nach der 13-seitigen Kurzgeschichte „Entführung in die Zukunft“ („All You Zombies“, 1959) von Robert A. Heinlein, gemeinhin für seine STARSHIP TROOPERS-Vorlage bekannt, haben die in Deutschland geborenen australischen Zwillingsbrüder Michael und Peter Spierig keinen durchgestylten SciFi-Thriller à la MINORITY REPORT ausgetüftelt, sondern einen retrofuturistischen Noir, der das Hirn verknotet und das Herz berührt.

predestination.2014.cover2Nachdem man sein von einer Explosion entstelltes Gesicht chirurgisch rekonstruiert hat, reist ein namenloser Zeitagent(Ethan Hawke)  ins Jahr 1975, um als Barkeeper getarnt den mörderischen „Fizzle Bomber“ zu finden, der Hunderte Menschen in die Luft sprengen wird. Er trifft zunächst aber nur auf den sarkastischen Autor John, der ihm von seiner Geschlechtsumwandlung erzählt. Der Agent macht ihm ein einmaliges Angebot.

Verspricht der Auftakt noch actionreiche Verbrechens-Vorbeugung und die Jagd nach einem irren Bombenleger, wird in ansehnlichen Set Pieces und Innendekor eine persönliche Gesprächsbegegnung daraus, Kopfkino wie von Philip K. Dick, das zunächst einmal nur passabel statt packend ist, dies später aber gewaltig nachholt, einige Empathie für tragische Schicksale weckt und seinen LOOPER-Plot so visionär wie INCEPTION vorträgt.

In ihrer bemerkenswerten Entwicklung vom unwesentlichen Fankurven-Splatter UNDEAD über die durchschnittliche Vampir-Action-SciFi DAYBREAKERS arbeiten die Brüder wieder mit Ethan Hawke (BOYHOOD) zusammen. Der überlässt aber – vorerst – Sarah Snook aus JESSABELLE das Feld, die hier großartig aufspielt und sich in ihrer androgynen, schwierigen Rolle als John/Jane wie eine junge Jodie Foster für eine Karriere empfiehlt.

predestination.2014.coverIhre Geschichte eines hochbegabten Findelkinds, das Lebenstraum und Liebe verlor und zu einer Geschlechtsumwandlung gezwungen wurde, bildet den erst kuriosen, dann traurigen transsexuellen Kern des irre verwegenen Kreiskonstrukts eines Plots, der einer Schlange gleicht, die sich ewig in den eigenen Schwanz beißt. So verwirrend und desorientierend die (Zeit)Sprünge anmuten, so genial fügen sie sich zu einem Sinnzusammenhang.

Das Kausalitätsprinzip, die Abfolge von Ursache und Wirkung, verschlingt sich zu einer Paradoxie um Prädestination – der Lehre um die Vorbestimmung des Lebens – und verlangt dem Verstand einige Akrobatik ab. Jeder Zeitsprung mit dem Multifunktionskoffer, ein Geigenkasten, der das USFF Coordinates Transformer Field Kit (wie das Techno-Babbel erklärt) enthält, ist ein kleiner psychischer Schock für den Reisenden, so wie der Film selbst ein Schock ist.

Einer, der unweigerlich im Wahnsinn endet, so wie das Terry Gilliam mit seinen 12 MONKEYS tat. „All we have is each other. That’s all we ever had“, beschreibt (Selbst)Begegnungen, mit der die detektivische Mystery einen den Boden unter den Füßen wegzieht. Mehrfach. Wenn man da mitgeht und sich auf diese – sehr eigene – Logik einlässt, erlebt man so etwas wie eine ausgewachsene Psychose: verstörend, aber elektrisierend.

Erschienen auf Komm & Sieh

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Predestination, Australien 2014 | Regie/Buch: The Spierig Brothers, Buchvorlage: Robert A. Heinlein | Mit: Ethan Hawke, Sarah Snook, Noah Taylor, u.a. | Laufzeit: 97 Minuten, Verleih: Tiberius Film (Videostart: 05.02.2015).