White Bird in a Blizzard

White Bird in a Blizzard

Von Thorsten Krüger

Eine US-Vorstadtsiedlung im Herbst 1988. Von einem Tag auf den anderen verschwindet Eve, die zuletzt schwer erträgliche Mutter der 17-jährigen Kat, spurlos. Als die polizeilichen Ermittlungen nichts ergeben, beginnt Kat eine Affäre und entwächst ihrem Umfeld. Nur Eves Geheimnis bleibt verborgen.

white.bird.in.a.blizzard.2014.coverIn seiner bislang reifsten Leistung stellt US-Indie Auteur und New-Queer-Cinema-Begründer Gregg Araki (MYSTERIOUS SKIN) zu genießerischem 80er-Look und sanften Synthiepop-Hymnen sein Lieblingssujet vor, das sexuell freizügige Erwachsenwerden. Er verbindet Teen-Fantasien mit harten Gefühlsrealitäten zur extravaganten TWIN PEAKS-Version, aus der er High Camp und Komik kitzelt und dennoch das Authentische wahrt.

Nach dem gleichnamigen Roman der Poetin Laura Kasischke entwirft er die Adoleszenz eines Next-Door-Girls (Shootingstar Shailene Woodley wieder so stark wie in THE SPECTACULAR NOW und DAS SCHICKSAL IST EIN MIESER VERRÄTER). Der rehäugige Paradiesvogel durchlebt als einzige wirklich sympathische Figur ein wechselvolles Coming of Age voller Enttäuschungen, bis sie die verlogene Welt ihrer Jugend hinter sich lässt.

Ehe und Heim ihrer Eltern sind nach außen hin makellos, dahinter verbirgt sich eine unangenehm dysfunktionale Familie und eine ebensolche Pubertät: Der lethargische Vater und die widerlich biestige Mutter (Eva Green, THE SALVATION, wie eine sexuell offensive Liz Taylor) sind eine Hölle für sich, bis die krank eifersüchtige Erzeugerin fort ist – Ehebruchgerüchte und ein fortwährendes Herumspuken in Kats Unterbewusstsein sind die Folge.

Araki gelingt es, all das Trashig-Überkandidelte, das Vorgängerwerke wie KABOOM auszeichnete, zu eliminieren. Eingepackt in den superben Schmelz einer Hochglanz-Hommage an die Kultur der 80er, bringt er die wehmütige Geschichte einer großen Ernüchterung an, von sexuellen Experimenten und einem Abschied von Geborgenheit und Unschuld, eine Selbstsuche zwischen Glück und Unglück, Freiheit und Abhängigkeit.

In perfektem Zuschnitt gibt er allem Wichtigen Raum und Ruhe, beobachtet umfassend mit feiner Sensibilität für seelische Stimmungen, geistige Verfassungen und Unsicherheiten. Er setzt ein Mosaik zusammen, in dessen Hintergrund die klasse Musik die Fäden eines Mysteriums zieht, das im Rückblick stets die Schwelle zum Erwachsenwerden umgibt, mit einer Auflösung, die Vergangenes wie verlorene Menschen neu bewertet.

Erschienen auf Komm & Sieh

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White Bird in a Blizzard, Frankreich/USA 2014 | Regie/Buch: Gregg Araki, Buchvorlage: Laura Kasischke | Mit: Shailene Woodley, Eva Green, Christopher Meloni, u.a. | Laufzeit: 91 Minuten, noch kein deutscher Verleih.