The Babadook

The Babadook

Von David McAllan

Fast sieben Jahre, nachdem ihr Ehemann auf dem Weg mit ihr zum Kreißsaal starb, ist die gutmütige Witwe Amelia mit ihrem hyperaktiven Sohn Sam überfordert, der andere Kinder verletzt und dafür gemobbt wird. Als sie ihm eines Abends aus einem unbekannten Kinderbuch vorliest, das sie in einem Regal gefunden hat, sucht Sam ein Schreckgespenst heim.

Wäre Jennifer Kents Expansion ihres eigenen Kurzfilms MONSTER nur ein psychologisches Mutter-Sohn-Drama, bei dem der titelgebende Buhmann als Symbol für Trauer und Wut einer dysfunktionalen Restfamilie fungiert! Kent will aber Unheimlichkeit und Heimsuchung, schafft es jedoch einfach nicht, aus einem Kinderbuch eine echte Bedrohung zu destillieren. So erhält ihr Hybride aus Spuk und Drama etwas absurd Komisches.

the.babadook.2014.coverDas Design des schön-schaurigen Kinder-Klappbuchs stammt von Alex Juhasz, die Figur gleicht einem Scherenschnitt-Nosferatu und verbeugt sich vor Georges Méliès’ THE MAGIC BOOK von 1900 (der im Fernsehen läuft). Diese eher lustige als furchteinflößende Variante des Bogeymans, Babadook genannt, schleicht sich vorwiegend suggestiv statt spekulativ in ein teils Zwei-Personen-Psychodrama in einem alten Knarzhaus.

Essie Davis und Noah Wiseman spielen wirklich gut, ihre Rollen sind aber unvorteilhafte Extreme: Eine durchsetzungsschwach-sanfte, frustrierte Jungwitwe ist hilflos einem nervtötendem, hyperaktiven Chaoskind ausgeliefert, das für sich selbst und andere eine ernstzunehmende Gefahr ist und zwischen Angst- und Aggrozuständen schwankt, die sich nach Vorlesen der falschen Gute-Nacht-Geschichte als externer Terror manifestieren.

Dazwischen beginnt Kent immer wieder eine Spießer-Satire, wenn Amelias unsympathische Schwester und ihre Brut in Todd-Solondz-Manier gegen Sam hetzen. Der vergrault Amelias spärliche Sozialkontakte, während sich die Übernächtigte weigert, ihrem Gör einen dringend notwendigen Realitäts-Check oder gar Erziehung angedeihen zu lassen. Für eine so verdrießliche Tour de Force reichen weder Empathie noch Glaubwürdigkeit.

Kents Script macht aus der desorientierten Mutter dann kurzerhand eine Jack-Torrance-Wahnsinnige, was verrückt und grotesk, aber nicht gerade beklemmend gerät. Wenigstens zahlt sie es ihrem stupiden Fratz damit ordentlich heim. Es folgen POLTERGEIST-Attacken und schließlich führt der waffengeile Knirps einen KEVIN ALLEIN ZU HAUS-Feldzug gegen den Schattenmann: Comedy und Psychothrill im unentschlossenen Wechsel.

Der sorgfältige Indie-Look ist gestalterisch wie inszenatorisch dafür aufwendig und der ausgesuchte Unbehaglichkeits-Grusel teils richtig ausgereift. Kent müht sich um eine originelle Form, nutzt diese aber auch übertrieben. Wenn der Babadook in den Keller gesperrt und gefüttert wird, haben beide gelernt, mit dem Monster zu leben – eigentlich ein formidables Ende wie für ein Polanski-Thriller. Wenn es bloß ernst zu nehmen wäre wie IT FOLLOWS.

Erschienen auf Komm & Sieh

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The Babadook, Australien 2014 | Regie/Buch: Jennifer Kent | Mit: Essie Davis, Daniel Henshall, Tim Purcell, u.a. | Laufzeit: 93 Minuten, noch ohne deutschen Verleih.