Omar

Omar

Von Sir Real

Wie Israel einen jungen Palästinenser in ein tödliches Spiel zwingt und damit dessen Leben und Liebe ruiniert, schlüsselt Hany Abu-Assad auf, der mit dem Selbstmordattentäterdrama PARADISE NOW 2005 weltweit Aufsehen erregte. Das für den Auslandsoscar nominierte Schicksal schnürt mit belastender Bitterkeit und Straßenrealismus-Thrill die Kehle zu, wenn einem ganz normalen Teenager konsequent die Lebenslust genommen wird.

Der junge palästinensische Bäcker Omar klettert täglich über den israelischen Grenzwall des Westjordanlandes, um seine heimliche Geliebte Nadja zu treffen. Ihr Bruder Tarek erschießt mit Amjad und ihm einen Kontrollposten. Omar wird vom Militär gefangen, gefoltert und muss als Spion Tareks Kopf liefern.

omar.2013.coverWo BETHLEHEM von Geheimdienstfeldarbeit und Spionagenetzen handelte, setzt Abu-Assad mit nüchtern-sarkastischen Impressionen einer schikanösen Besatzungsmacht an. Er beschreibt einen Alltag, wo Betonmauern ein Volk separieren, wo auf Omar (Adam Bakri), der darüber klettern muss, um zu seinen Freunden und Nadja (traumhaft: Leem Lubany) zu gelangen, scharf geschossen wird. Schulterzuckender Status Quo.

Tagsüber brutal unterdrückt, nachts im Widerstand: Nach amateurhaftem Training erschießt das Freundes-Trio einen Soldaten, ein Überfallkommando verschleppt Omar. Im israelischen Knast foltert und misshandelt man ihn mit besten Gestapo-Methoden, bis er, von Dunkelhaft und Psychotricks gebrochen, alles tut, was man von ihm verlangt: Er soll als Kollaborateur den Täter ausliefern. Omar ist gezeichnet, geprügelt, gedemütigt.

Er muss Ruf, Freunde und die Beziehung zu seinem süß-witzigen Herzchen bewahren und vor der Geheimpolizei fortrennen. Ein Marathon, bei dem er nur verlieren kann. Omar steckt in der Zange, aus der er sich nicht winden kann. Der abstoßende Verbindungsoffizier grillt ihn erneut und verwandelt sein Leben in eine Hölle, zersetzt Sicherheit und Vertrauen. Als Gerüchte kursieren, er sei ein Verräter, ist das sein (sozialer) Tod.

Dabei wird er selbst fortlaufend verraten, sogar von seinen Freunden und Nadja selbst, womit er jene Zukunft verliert, die zu Beginn noch möglich erschien. Ein negatives Coming of Age mit Begräbnisstimmung, dessen ins Herz treffendes Melodram symbolhaft an einer Person, die all ihre Hoffnung einbüßt, den menschlichen Preis der israelischen Besatzungspolitik vorrechnet. Es ist ein grausamer Witz mit tödlicher Pointe.

Erschienen auf Komm & Sieh

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Omar, Palästina 2013 | Regie/Buch: Hany Abu-Assad | Mit: Adam Bakri, Leem Lubany, Iyad Hoorani, u.a. | Laufzeit: 96 Minuten, noch kein deutscher Verleih.