Of Silence

Of Silence

Von Jochen Plinganz

Nachdem er seine Frau brutal ermordet vorgefunden hat, kehrt Colby (Jeremiah Sayys) in ihr gemeinsames Haus in Kalifornien zurück, wo er sich depressiv in Erinnerungen vergräbt. Von gelegentlichen Besuchen anderer Angehöriger abgesehen, ist er allein. Und hört immer bedrohlichere, monströse Geräusche.

Der rührige Jeremiah Sayys hat offenbar noch einiges vor und zwei Lenze nach dem (von ihm nur geschriebenen und produzierten) Familienabenteuer THE LEGEND OF NETHIAH (deutsch in eindeutiger Absicht DIE CHRONIKEN VON PHANTASIA betitelt) einen gewaltigen Qualitätsschritt nach vorne unternommen. Was noch keinen Meisterregisseur aus ihm macht, aber einen versierten Könner mit Talent zu mehr.

of.silence.2014.cover2Sein Beinahe-Ein-Mann-Projekt, das er vor und hinter der Kamera kreativ schultert, ist ein clever in nur einer Location – angeblich Sayys’ Haus – ausgetragenes, erkennbar unabhängig finanziertes Psychohorrordrama. Es brütet wie ein Kammerspiel um einen in einsamer Kummer verloren gehenden Witwer langsam vor sich hin und schickt ihn via akustische Halluzinationen in einen Trauer-Alptraum mit ausgefeiltem Tonspur-Terror.

Ungleich zu BERBERIAN SOUND STUDIO, der die Toneffekte als Hommage an den Giallo durchkonjugiert, steht hier keine Metaebene zwischen Zuschauer und Grauen – es darf direkt andocken. In Stille frisst der erstarrte Colby seine Schwermut in sich hinein, ein keineswegs friedliches Schweigen, sondern eines, das ein knurrendes Monster gebiert. So schrecklich seine Schizo-Symptome, so psychologisch plausibel sind sie.

OF SILENCE startet verhalten und wird immer furioser, beginnt mit gutturalen Geräuschen, die sich aus der Peripherie an den Protagonisten heranschleichen, einem Mann, dem der Schuldeneintreiber im Nacken sitzt, der in den Resten seiner gescheiterten Existenz ins Bodenlose fällt. Und das ist tiefes, schluckendes Schwarz, das selbst im Sonnenschein noch kontraststark dominiert. Die Dunkelheit um Colby wächst unentwegt.

Seine Wahn-Anfälle verschärfen sich, aus einer sparsam eingesetzten Heimsuchung mit Untier-Lauten aus dem Boden werden Angriffe mit Ritualmessern auf einen gemarterten Geist und Körper. Ist es sein Verstand? Der Geist seiner toten Frau? Beides? Ohne zu irgendwelchen zwangsweise enttäuschenden Erklärungen anzusetzen, kombiniert Sayys eine verhalten-subtile Performance und ungemütliche Unheimlichkeit.

Sensibel und mit furchteinflößenden Soundschöpfungen beschreibt er, wie ein Heim voller trauriger Erinnerungen, visueller wie akustischer, seinen Bewohner aufsaugt. Ein Fade to Black der Gefühle, eine pathologische Entwicklung, die der Blutspur der Schulden und Schuldgefühle folgt und mit einem gewissen Anspruch im völliger Finsternis endet, wo Colby ultimativ Gefangener einer fiesen Manifestation eigener Ängste wird.

Erschienen auf Komm & Sieh

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Of Silence, USA 2014 | Regie/Buch: Jeremiah Sayys | Mit: Jeremiah Sayys, Masiela Lusha, Ashlee Gillespie , u.a. | Laufzeit: 94 Minuten, noch kein deutscher Verleih.